Hat sich Westerwelle «anfüttern» lassen?

Aktualisiert

üppige HonorareHat sich Westerwelle «anfüttern» lassen?

Der Vorwurf ist happig: Der amtierende deutsche Aussenminister Guido Westerwelle habe sich während Jahren von der Finanzindustrie unterstützen lassen, indem er für Vorträge hohe Honorare kassiert hatte. Deutsche Parlamentarier fordern nun Klarheit.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, ging scharf mit dem Aussenminister ins Gericht. Westerwelle müsse nun zügig offenlegen, wie viel Honorar er für die Vorträge unter anderem bei Firmen der Finanzindustrie sowie der Hotel- und Versicherungsbranche bekommen habe.

Nach offiziellen Angaben des Bundestages hat Westerwelle als damaliger Oppositionsführer für 35 der 36 Reden ein Honorar der Stufe drei kassiert, also jeweils über 7000 Euro. In der Summe ergeben sich also rund 250 000 Euro Honorare für die Jahre 2005 bis 2009. Die genaue Höhe geht aus der Aufstellung des Parlaments nicht hervor.

Oppermann sagte, solange Westerwelle nicht jedes einzelne dieser Honorare von sich aus in genauer Höhe offenlege, bestehe der Verdacht, dass er über Jahre unter anderem von Banken und Hotelketten «angefüttert» worden sei: «Nach dem Motto: Wes Brot ich ess', des Lied ich sing.»

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, schloss sich der Forderung an und erklärte: «Transparenz dient der Sichtbarkeit, ob politisches Handeln am Allgemeinwohl orientiert oder durch andere Kräfte motiviert ist.»

FDP-Sprecher Wulf Oehme erklärte dazu, Westerwelle habe nach Recht und Gesetz dem Bundestagspräsidenten sämtliche freiberuflichen Tätigkeiten aus der Zeit vor seinem Eintritt in die Bundesregierung angezeigt.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner konterte zudem mit dem Hinweis, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel «ganz persönlich 130 000 Euro privates Honorar von VW kassiert» und die SPD in der vergangenen Legislaturperiode über eine Million Euro an Spendengeldern von der Automobilindustrie gesammelt habe. «Trotzdem werfen wir der SPD nicht vor, dass sie die Abwrackprämie eingeführt hat oder sich für das VW-Gesetz stark gemacht hat», sagte er der «Rheinischen Post».

Linke fordert Regierungserklärung

Die FDP und ihr Vorsitzender Westerwelle hatten sich zuletzt gegen den Vorwurf der Klientelpolitik zur Wehr setzen müssen, weil auf ihr Drängen hin die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen gesenkt wurde. Auch hatte die Opposition Westerwelles zögerliche Haltung beim Ankauf der Daten-CD mit deutschen Steuersündern in der Schweiz angeprangert.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst, forderte, Kanzlerin Angela Merkel müsse eine Regierungserklärung abgeben und ausserdem ihren Vizekanzler ablösen. Zweifel an der Nichtkäuflichkeit der Regierung seien wegen der Nebentätigkeiten Westerwelles, aber auch angesichts vieler Koalitionsprojekte und der Personalpolitik in den Ministerien berechtigt.

Ernst kritisierte besonders, dass Westerwelle gegen viel Geld bei einer Tochter der LGT-Bank aufgetreten sei. Die zum Liechtensteiner Fürstenhaus gehörenden LGT-Bankengruppe stand im Zentrum der Liechtenstein-Affäre. Der deutsche Bundesnachrichtendienst BND hatte 2008 Kundendaten gekauft. Daraufhin wurde in Deutschland eine bundesweite Razzia gegen mutmassliche Steuersünder ausgelöst, darunter Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel.

Zudem Funktionen in vier Firmen

Westerwelle übte in der abgelaufenen Legislaturperiode laut Bundestag zudem vier Funktionen in Unternehmen neben dem Mandat aus, die ihm jeweils ebenfalls mehr als 7000 Euro jährlich einbrachten. Er sass im Aufsichtsrat der ARAG Allgemeine Rechtsschutz-Versicherung sowie in den Beiräten der Deutschen Vermögensberatung, der Hamburg-Mannheimer Versicherung und der TellSell Consulting GmbH. (dapd)

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