Viele Araber möchten in Israel bleiben

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Zwei-Staaten-LösungViele Araber möchten in Israel bleiben

In einem eigenen, unabhängigen Staat zu leben ist der Traum vieler Palästinenser - aber längst nicht aller. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage.

kri
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Die arabischen Bewohner Ostjerusalems blicken in eine unsichere Zukunft. Ein Friedensschluss zwischen Israel und den Palästinensern könnte ihr Leben dramatisch verändern.

Die arabischen Bewohner Ostjerusalems blicken in eine unsichere Zukunft. Ein Friedensschluss zwischen Israel und den Palästinensern könnte ihr Leben dramatisch verändern.

Es ist eine der grossen Fragen des Nahostkonflikts, sollten sich Israel und die Palästinenser irgendwann auf eine Zwei-Staaten-Lösung einigen: Was passiert mit den 1,5 Millionen Palästinensern, die heute in Israel (nicht im Westjordanland) leben, wenn vor ihrer Nase ein souveräner Staat Palästina entsteht? Und was wollen diese Menschen - nicht die Politiker - wirklich? Das amerikanische Umfrageinstitut «Pechter Middle East Polls» ist dieser Frage nachgegangen. Die Resultate legen nah, dass die Palästinenser über diese Frage tief gespalten sind.

Befragt wurden 1039 Palästinenser ausschliesslich aus dem von Israel annektierten Ostjerusalem, wo rund 250 000 von ihnen leben und auch die israelische Staatsbügerschaft besitzen. Auf die Frage «Wenn ihr aktueller Wohnort zu einem international anerkannten Teil Israels würde und Sie in den unabhängigen Staat Palästina umziehen dürften, würden Sie das tun und palästinensischer Staatsbürger werden?» antworteten 54 Prozent, sie würden sicher oder wahrscheinlich in Israel bleiben. 27 Prozent sagten, sie würden sicher oder wahrscheinlich Israel für Palästina verlassen. 19 Prozent waren unentschlossen.

Auf die umgekehrte Frage, was sie tun würden, falls Ostjerusalem zur Hauptstadt Palästinas würde und sie nach Israel umziehen könnten, antworteten 37 Prozent sie würden sicher oder wahrscheinlich in Jerusalem bleiben. 40 Prozent gaben an, sicher oder wahrscheinlich nach Israel zu ziehen. 23 Prozent waren unentschlossen.

Der Magen kommt vor dem Patriotismus

Dieser Zwiespalt ist auch in den Beweggründen für die jeweilige Präferenz reflektiert. Jene Palästinenser, die lieber die palästinsische Staatsbügerschaft annehmen würden, nannten vor allem Patriotismus, Religion, die arabische Identität und jüdische Diskriminierung als Motivation. Demgegenüber waren für jene Palästinenser, die lieber ihre israelische Staatsbürgerschaft behalten würden, Bewegungsfreiheit, höhere Löhne, Krankenversicherung, Berufsaussichten und der höhere Wohlstand ausschlaggebend. Hier kommen auch Zweifel zum Ausdruck, ob eine palästinensische Regierung in der Lage wäre, ihren Bürgern ähnliche Leistungen wie in Israel zu garantieren. Eine entsprechende Frage verneinten zwei Drittel.

«Ich gehe davon aus, dass die palästinensische Führung mit diesen Resultaten nicht zufrieden ist», sagte Dr. David Pollock, der die Umfrage entworfen und überwacht hat, gegenüber der israelischen Tageszeitung «Haaretz». Dass sich weder Israel noch die Palästinensische Autonomiebehörde bisher gross für die Meinung dieser Menschen interessierte, hat seiner Meinung nach einen einfachen Grund: Ihre Antworten könnten sie in Verlegenheit bringen.

Schwierige Entscheidungen für beide Seiten

Die palästinensische Führung müsste anerkennen, dass einige ihrer Brüder und Schwestern Wohlstand (in Israel) höher gewichten als Patriotismus (in Palästina). Und die israelische Führung müsste sich überlegen, ob sie wirklich willens wäre, ausreiseunwillige Palästinenser in Jerusalem permanent zu integrieren. Aussenminister Avigdor Lieberman etwa hat wiederholt angetönt, dass wenn jüdische Siedler aus dem Westjordanland zurück nach Israel evakuiert werden, im Gegenzug auch Palästinenser Israel verlassen müssen.

«Es gibt eine grosse Diskrepanz zwischen dem, was Politiker auf beiden Seiten über die Palästinenser in Ostjerusalem denken und dem, was diese wirklich wollen», fügte Pollock an und riet allen Parteien, die Resultate ernst zu nehmen.

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