Vergewaltigt, versklavt, verstümmelt, verfüttert

Aktualisiert

Vergewaltigt, versklavt, verstümmelt, verfüttert

Schier unaussprechliche Brutalität bis zum erzwungenen Kannibalismus: Frauen in der kongolesischen Provinz Süd-Kivu sind nach Angaben der Vereinten Nationen unglaublicher Gewalt ausgesetzt. Eine Sonderermittlerin erstattet jetzt einen erschütternden Bericht.

Die Situation in Süd-Kivu sei die schlimmste, die sie in ihrer vierjährigen Tätigkeit als UN-Sonderermittlerin gesehen habe, berichtete die Expertin Yakin Ertürk. Für die meisten Verbrechen sind demnach Rebellengruppen verantwortlich, die nach dem Völkermord in Ruanda in den 90er Jahren in den Kongo geflüchtet sind.

Die Gräueltaten gingen weit über Vergewaltigungen hinaus, erklärte Ertürk nach einer elftägigen Kongo-Reise und berichtete von schockierenden Vorfällen. «Frauen werden brutal von mehreren Männern vergewaltigt, oft vor ihren Familien», erklärte die UN-Expertin. Oft würden Männer mit vorgehaltenen Gewehren gezwungen, sich an ihren Töchtern, Müttern und Schwestern zu vergehen. Nach Vergewaltigungen würden die Frauen häufig in ihre Genitalien geschossen oder gestochen. Einige seien monatelang wie Sklaven gehalten und gezwungen worden, Exkremente oder das Fleisch ermordeter Angehöriger zu essen.

Die kongolesische Regierung und die internationale Gemeinschaft müssten angesichts der erschreckenden Lage in Süd-Kivu sofort handeln, forderte Ertürk am Montag in Genf. Seit Jahresbeginn seien bereits 4.500 Fälle von sexueller Gewalt registriert worden, die tatsächliche Zahl dürfte jedoch weit höher liegen. Denn die meisten Opfer lebten in unzugänglichen Gebieten, hätten Angst, von den Übergriffen zu berichten oder hätten ihre Qualen schlicht nicht überlebt, erklärte Ertürk.

In einem Krankenhaus in Bukavu nahe der Grenze zu Ruanda werden nach ihren Angaben jährlich rund 3.500 Frauen wegen schwerer Verletzungen ihrer Geschlechtsorgane behandelt, die von Gewaltverbrechen herrühren. Eine Zehnjährige habe ihr in der Panzi-Klinik erzählt, wie sie gemeinsam mit ihren Eltern verschleppt worden sei: Die Täter hätten dem Mädchen einen Stock in die Genitalien gerammt, es habe anschliessend notoperiert werden müssen.

Regierungstruppen und Polizisten mitbeteiligt

Die brutale Gewalt gegen Frauen werde in weiten Teilen der Gesellschaft des afrikanischen Landes offenbar als normal angesehen, kritisierte die UN-Expertin. Zwar seien für die meisten Übergriffe Rebellen verantwortlich, fast ein Fünftel der registrierten Fälle gehe jedoch auf das Konto von Regierungstruppen und Polizisten. Einheiten der Streitkräfte gingen beispielsweise gezielt gegen Ortschaften vor, die der Unterstützung von Milizen verdächtigt werden. Dabei komme es zu Plünderungen, Massenvergewaltigung und mitunter zur Ermordung von Zivilpersonen. Einzelne Soldaten oder Polizisten «denken, sie stünden über dem Gesetz», kritisierte Ertürk. «Diese Taten sind Kriegsverbrechen und mitunter Verbrechen gegen die Menschlichkeit.»

In einigen Regionen reagieren Polizei und Streitkräfte den UN-Angaben zufolge mit Gewalt auf Unruhen. Im Dezember beispielsweise hätten 70 Polizisten Rache geübt, nachdem eine Polizeiwache in der Stadt Karawa in der Provinz Equator in Brand gesetzt worden sei. Sie hätten Zivilpersonen gefoltert und mindestens 40 Frauen vergewaltigt, darunter ein elf Jahre altes Mädchen, berichtete Ertürk. Bislang sei keiner der Täter festgenommen oder beschuldigt worden, vielmehr sei es in weiteren Ortschaften zu ähnlichen Vorfällen gekommen.

Das Rechtssystem des afrikanischen Landes sei «in einem erbärmlichen Zustand», erklärte Ertürk weiter. Hinzu kämen zahlreiche Berichte über Korruption und politische Einflussnahme auf die Justiz. Die Gerichte kämen schon mit den wenigen Fällen nicht zurecht, in denen Frauen allen Mut zusammengenommen und sich dazu durchgerungen hätten, von sexueller Gewalt zu berichten. (dapd)

Deine Meinung zählt