Guantánamo ist illegal
US-Präsident George W. Bush will trotz der Niederlage vor dem Obersten Gerichtshof grundsätzlich an der Aburteilung von Guantánamo-Häftlingen vor Militärtribunalen festhalten.
Er wolle gemeinsam mit dem Kongress eine Möglichkeit finden, die Verfahren durch das Militär abhalten zu lassen, sagte Bush am Donnerstag in Washington.
Das Oberste Gericht hatte zuvor geurteilt, dass Bush mit der Einsetzung der Sondertribunale ohne parlamentarische Zustimmung seine Kompetenzen überschritten habe. Die Angelegenheit hätte der Zustimmung des Kongresses bedurft.
Das höchstrichterliche Urteil nehme er «ernst», betonte Bush. Es bedeute nicht, dass die Gefangenen nun «auf die Strasse gelassen» würden. Er sei weiterhin der Überzeugung, dass «einige dieser Leute von Gerichten abgeurteilt werden» müssten.
Genauere Angaben zum weiteren Vorgehen lehnte Bush mit dem Argument ab, er müsse zunächst das Urteil der Washingtoner Richter genauer untersuchen.
Gegen Genfer Konvention
Das mit fünf gegen drei Stimmen von dem Richterkollegium gefällte Urteil zwingt den US-Präsidenten dazu, zentrale Elemente seiner Anti-Terror-Politik zu revidieren. Die als «Militärkommissionen» bezeichneten Sondertribunale waren für die Aburteilung von Häftlingen in Lager von Guantánamo auf Kuba bestimmt.
Die Einsetzung dieser Sondergerichte basierte auf der Prämisse, dass die Insassen des Lagers keine regulären «Kriegsgefangenen» seien, sondern nur «feindliche Kämpfer».
Mit dieser Begründung wurden ihnen zentrale Verfahrensrechte verweigert, wie sie in der Genfer Konvention von 1949 für den Umgang mit Kriegsgefangenen vorgesehen sind. In den Sondergerichten sind die Rechte der Verteidigung und des Angeklagten drastisch eingeschränkt.
Von Beginn weg umstritten
Der Supreme Court kam nun jedoch zu dem Schluss, dass die Genfer Konvention sehr wohl auf die Häftlinge in Guantánamo anzuwenden ist. Die Gerichte für diese Gefangenen müssten «zumindest die minimalsten jener Verfahrensrechte» gewähren, wie sie im Völkerrecht vorgesehen sind, schrieb Richter John Paul Stevens.
Definiert seien diese Standards in der Genfer Konvention, hiess es weiter in der Urteilsbegründung. Für Bush waren diese Sätze wie ein Schlag ins Gesicht - er hatte die «Militärkommissionen» am 13. November 2001 eigenmächtig ins Leben gerufen, ohne dafür die Zustimmung des Kongresses einzuholen.
Die Sondertribunale - die ersten Gerichte dieser Art seit Ende des Zweiten Weltkrieges - waren allerdings von Beginn an juristisch heftig umkämpft. Sie kamen deshalb auch nie richtig in die Gänge.
Zwar wurden zehn Häftlinge aus Guantánamo vor den Tribunalen angeklagt. Die Verfahren kamen aber nicht voran, da der Ausgang des Rechtsstreits um die Tribunale abgewartet werden musste.
Neues Vorgehen nötig
Mit dem Urteil wird Guantánamo für Bush zu einem noch dornigeren Problem als zuvor. Der US-Präsident steht unter massivem internationalem Druck, das Lager, in dem noch etwa 440 Gefangene untergebracht sind, dicht zu machen.
Er selbst hat erklärt, dass er die Schliessung des Lagers anstrebe - neben der Abschiebung von Häftlingen in ihre Heimatländer sollten dazu die Sondertribunale der zweite Hauptweg sein. Nun wird die US-Regierung aber komplett neue Verfahrensprozeduren für die Häftlinge ausarbeiten müssen.
Nicht minder gravierend ist der Schlag für das Ansehen des Präsidenten, der wegen seiner Methoden im Anti-Terror-Kampf in den vergangenen Monaten auch im eigenen Land verstärkt in die Kritik geraten ist.
Die Überschreitung seiner Kompetenzen werfen ihm die Kritiker beispielsweise auch bei den Lauschangriffen auf US-Bürger und der Überwachung von Finanztransaktionen vor. (dapd)