Machtwechsel nach 61 Jahren

Aktualisiert

Machtwechsel nach 61 Jahren

Das sind Verhältnisse, von denen die SVP nur träumen kann: Seit 61 Jahren wird Paraguay von der Colorado-Partei regiert. Nun ist ein Ende absehbar. Vor der Präsidentenwahl am Sonntag liegt der frühere katholische Bischof Fernando Lugo vor den anderen sechs Kandidaten.

Der 56-Jährige tritt für die «Patriotische Allianz für den Wandel» (APC) an. Diese setzt sich aus acht Oppositionsparteien und einem Dutzend sozialer Bewegungen zusammen. Schon diese Einigung der verschiedenen Anti-Colorado-Gruppen, die von der politischen Linken bis zu konservativen Kräften reichen, ist eine Sensation.

Denn die Colorados konnten sich seit 1947 und vor allem seit dem Ende der Diktatur des deutschstämmigen Alfredo Stroessner (1954-1989) auch deshalb so lange an der Macht halten, weil die Opposition zersplittert war.

Stimmen gesplittet

Nun ist aber nicht nur die Opposition geeinter als früher. Für die Colorados machen sich faktisch zwei Kandidaten die Stimmen streitig: Die offizielle Kandidatin ist Blanca Ovelar. Daneben tritt der Putschoberst Lino Oviedo für die «Patriotische Nationalunion der ethischen Bürger» (Punace) an.

Sie sind die beiden einzigen Rivalen, die gemäss Umfragen Lugo den Sieg noch streitig machen könnten. Ansonsten reicht am Wahlabend die einfache Mehrheit, um als Nachfolger von Amtsinhaber Nicanor Duarte Frutos für die nächsten fünf Jahre festzustehen.

Sympathien für den Sozialismus

Lugo war bis vor einem Jahr Bischof im ärmsten Bistum Paraguays, das seinerseits eine landesweite Armutsrate von 25 Prozent aufweist. Statt als Befreiungstheologe definiert er sich als Politiker der Mitte. Ende vergangenen Jahres liess er jedoch auch Sympathien für den Sozialismus durchblicken.

Inhaltlich unterscheiden sich die führenden Kandidaten nicht entscheidend voneinander. Alle wollen die Marktwirtschaft beibehalten, das Privateigentum schützen und die Eigeninitiative der Menschen fördern.

Kampf gegen Korruption

Ihre grossen Gegner heissen Korruption und Armut, die wesentlich effizienter als bisher bekämpft werden sollen. Hauptthemen des kurzen Wahlkampfs waren jedoch die Energiepolitik und eine Agrarreform.

Im Energiesektor propagiert Lugo die Wiedererlangung der Energie- Souveränität. Noch muss Paraguay seinen überschüssigen Strom aus dem gemeinsam mit Brasilien betriebenen Wasserkraftwerk Itaipú weit unter Marktpreis an Brasilien verkaufen. Dies müsse sich ändern, fordern fast alle Kandidaten.

Immer mehr Anbau von Soja

Bei der Landreform geht es um die zunehmende Konzentration von Ackerland in der Hand weniger grosser Unternehmer, die immer mehr Soja anbauen. Die 351 grössten von ihnen nennen 40 Prozent aller landwirtschaftlich nutzbaren Böden ihr Eigen. Landlose Familien werden durch Hunger und Not in die Städte getrieben.

Die drei Millionen Wahlberechtigten bestimmen am Sonntag auch 45 neue Senatoren, 80 Provinzparlamentarier, 17 Gouverneure, 400 Gemeinderatsmitglieder sowie Abgeordnete des Parlaments des Gemeinsamen Marktes des Südens, Mercosur. (sda)

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