«Konfuzius-Friedenspreis»China auf Hitlers Spuren
Die Wut über den Friedensnobelpreis für Regimegegner Liu Xiaobo sitzt tief. Nun will Peking seinen eigenen Preis verleihen – wie einst Adolf Hitler.

Lien Chan (links), der Träger des «Konfuzius-Friedenspreises», den China aus Protest gegen den Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo (rechts) lanciert hat.
Einen Tag vor der Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo will China am Donnerstag einen eigenen Friedenspreis verleihen. Damit sollten die Friedensansichten des chinesischen Volkes dargelegt werden, hiess es in einer Erklärung des Preiskomitees an die Nachrichtenagentur AP.
Der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums Jiang You warf dem Nobelpreiskomitee unterdessen vor, es orchestriere «eine Anti-China-Farce». «Wir werden uns nicht wegen der Einmischung von ein paar Clowns ändern und nicht von unserem Weg abkommen», sagte er.
Die chinesische Regierung hatte sofort nach der Bekanntgabe der Friedensnobelpreisentscheidung Anfang Oktober empört reagiert. Der 54-jährige, inhaftierte Liu wurde als Verbrecher bezeichnet und die Wahl zum Versuch des Westens erklärt, Chinas Aufstieg zu stoppen. Zudem wurde eine Kampagne gestartet, andere Länder zum Boykott der Friedensnobelpreis-Zeremonie zu bewegen. 18 Staaten wollen dem Aufruf bislang folgen, darunter Russland, Pakistan, Venezuela, Kuba, Saudi-Arabien und der Iran. Weder Liu noch seine Frau, die unter Hausarrest gestellt wurde, werden an der Zeremonie am kommenden Freitag in der norwegischen Hauptstadt Oslo teilnehmen können.
Serbien kündigt Boykott der Verleihung an
Unterdessen kündigte auch der serbische Aussenminister Vuk Jeremic den Boykott der Friedensnobelpreis-Gala an. Serbien «nehme Menschenrechtsverletzungen sehr ernst», doch die Beziehungen zu China seien vorrangig, sagte Jeremic. Serbien fürchtet offenbar, China mit seiner Teilnahme an der Nobelpreisverleihung zu verstimmen. China hatte Serbien zuvor in seiner Ablehnung der Unabhängigkeit des Kosovo unterstützt.
Die EU und Menschenrechtsgruppen kritisierten am Mittwoch die Entscheidung Serbiens. Er sei «schockiert», sagte der EU-Parlamentarier Jelko Kacin, der für die Berichterstattung über Serbiens Beitrittsbemühungen zur EU verantwortlich ist. «Kein Beitrittskandidat hat auf diese Weise seinen Gehorsam» gegenüber China unter Beweis gestellt, sagte Kacin. Serbische Menschenrechtsgruppen riefen die Regierung dazu auf, ihre Entscheidung rückgängig zu machen. «Mit dem Boykott der Zeremonie zeigt Serbien erneut, dass es weit von einem ernsthaften Einsatz für die Menschenrechte sowie den Werten einer modernen und demokratischen europäischen Gesellschaft entfernt ist», erklärte die Menschenrechtsgruppe Jukom.
«Konfuzius-Friedenspreis» geht an taiwanischen Ex-Vizepräsident
Die Idee für einen eigenen chinesischen Friedenspreis wurde erstmals am 17. November in einer Boulevardzeitung der Kommunistischen Partei ventiliert. Drei Wochen später schickte nun ein Komitee für den «Konfuzius-Friedenspreis» der Nachrichtenagentur AP die Entscheidung über den ersten Preisträger: Der frühere taiwanische Vizepräsident Lien Chan soll für seinen Einsatz ausgezeichnet werden, «eine Brücke zwischen dem Festland und Taiwan» zu bauen. Eine in Liens Büro telefonisch erreichte Mitarbeiterin wollte sich dazu nicht äussern, weil sie nichts über diesen Preis wisse.
Der Vorsitzende des Komitees, Tan Changliu, sagte der AP, sein Gremium sei keine amtliche Einrichtung, arbeite aber eng mit dem Kulturministerium zusammen. Er räumte ein, dass der mit 100 000 Yuan (knapp 15 000 Franken) dotierte Preis noch keine grosse internationale Anerkennung geniesse. «Das muss allmählich wachsen», sagte Tan. «Wir hoffen, dass die Leute glauben werden, dass der Preis globale Bedeutung hat.»
Ein China-Experte der Universität Oxford, Steve Tsang, sagte, China werde mit seinem hastig arrangierten Friedenspreis international keine grosse Anerkennung finden. «Das ganze ist offensichtlich durchgepeitscht worden, um dem Nobelpreis für Liu Xiaobo etwas entgegenzusetzen», sagte er. «Die Leute werden das nehmen wie es ist. Und deshalb wird das nicht sehr glaubwürdig sein.» China bestätige vielmehr mit seiner harten Reaktion beim Rest der Welt den Eindruck, «dass die Menschenrechte in China wirklich in Schwierigkeiten sind.»
Auch Hitler schuf einen eigenen Friedenspreis
China ist nicht das erste Land, dass als Reaktion auf eine Friedensnobelpreisentscheidung eine eigene Auszeichnung schafft. Nachdem Carl von Ossietzky 1936 rückwirkend der Friedensnobelpreis für 1935 zuerkannt worden war, verfügte Adolf Hitler, dass kein Deutscher mehr einen Nobelpreis annehmen dürfe. Ossietzky durfte den Preis zwar noch annehmen, aber nicht zur Verleihung nach Oslo reisen. 1937 stiftete Hitler den Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft als höchste Friedensauszeichnung des nationalsozialistischen Deutschlands.
Ein China-Experte der Universität Oxford, Steve Tsang, sagte, China werde mit seinem hastig arrangierten Friedenspreis international keine grosse Anerkennung finden. «Das ganze ist offensichtlich durchgepeitscht worden, um dem Nobelpreis für Liu Xiaobo etwas entgegenzusetzen», sagte er. «Die Leute werden das nehmen wie es ist. Und deshalb wird das nicht sehr glaubwürdig sein.» China bestätige vielmehr mit seiner harten Reaktion beim Rest der Welt den Eindruck, «dass die Menschenrechte in China wirklich in Schwierigkeiten sind».