Brennende KoraneClinton befürchtet Flächenbrand
In Washington schrillen die Alarmglocken: Die von einer kleinen Kirchgemeinde geplante Koranverbrennung könnte zu Demonstrationen und Anschlägen führen.

Die Schändung des Korans in Guantanamo führte im Mai 2005 zu Protesten in der muslimischen Welt. Im Bild: Anti-USA-Demonstration in Karachi, Pakistan.
Eine kleine, radikale Kirchgemeinde in Florida hat die US-Regierung aufgeschreckt. Man sorgt sich, dass die Bilder brennender Korane in der islamischen Welt eine Gewaltwelle sondergleichen provozieren und das Risiko von Terroranschlägen erhöhen könnten. US-Aussenministerin Hillary Clinton verurteilte die Aktion am Mittwoch als «empörend» und «schändlich» und sprach von «geistiger Umnachtung» der Initiatoren. Die für Samstag geplante Verbrennung des Heiligen Buchs des Islams habe mit der amerikanischen Nation nichts zu tun, betonte sie bei einer Rede in Washington.
«Es ist bedauerlich, dass ein Pastor in Gainesville, Florida, mit einer Kirchengemeinde, die nicht mehr als 50 Mitglieder zählt, diesen empörenden und schändlichen Plan machen kann und die Aufmerksamkeit der gesamten Welt auf sich zieht», schimpfte Clinton. «Aber das ist die Welt, in der wir derzeit leben. Es ist bedauerlich. Das zeigt nicht, wer wir sind.»
Thema bei hochrangigem Treffen
Das Thema beherrschte am Mittwoch auch ein Treffen zwischen dem NATO-Oberbefehlshaber in Afghanistan, David Petraeus, und dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Beide warnten, dass «die Verbrennung unser Bemühen in Afghanistan untergräbt und die Sicherheit der Koalitionstruppen sowie der Zivilbevölkerung gefährdet», wie der Sprecher der Streitkräfte, Erik Gunhus, anschliessend berichtete. Zudem hätten die afghanischen Sicherheitskräfte später das Problem, mit grossen Demonstrationen fertig werden zu müssen.
Deutliche Worte fand auch der Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Staffan de Mistura. «Wenn solch eine abscheuliche Handlung ausgeführt wird, wird das nur die Argumente jener bestärken, die gegen Frieden und Versöhnung in Afghanistan sind», sagte de Mistura.
Der Vatikan bezeichnete die Pläne des evangelikalen Pastors Terry Jones als «empörend und besorgniserregend». Terry hatte angekündigt, anlässlich des Jahrestages der Anschläge auf das World Trade Center am 11. September Koran-Schriften verbrennen zu wollen.
Pastor will Verbrennung trotz Verbot
Auch wenn die US-Regierung und Petraeus sich bereits deutlich von der Aktion distanziert haben und die Bücherverbrennung von den Behörden verboten wurde, zeigt sich Jones weiter unbeirrt. «Wie oft sollen wir einen Rückzieher machen?», fragte er rhetorisch auf Anfrage der Nachrichtenagentur AP.
Petraeus hatte jüngst davor gewarnt, dass Bilder von der Verbrennung des Korans dazu führen würde, dass Extremisten in Afghanistan und anderen Ländern zur Gewalt aufriefen. Dies scheint sich bereits jetzt zu bewahrheiten. «Es ist die Pflicht der Muslime zu reagieren», sagte Mohammad Muchtar, ein Kleriker und Kandidat für die afghanischen Parlamentswahlen am 18. September. «Wenn das geschieht, denke ich, dass, wo immer Amerikaner gesehen werden, sie getötet werden. Es wird keine Rolle spielen, wo sie sich in der Welt aufhalten, sie werden getötet werden», sagte Muchtar.
Jones erhielt nach eigenen Angaben Todesdrohungen
Die weltweit führende Ausbildungsstätte für Sunniten, die Al-Ashar-Universität in Ägypten, warf Jones' Gemeinde vor, Hass und Diskriminierung zu schüren. Bereits vergangenen Monat hatten indonesische Muslime vor der US-Botschaft in Jakarta demonstriert und mit Gewalt gedroht, falls es zu der Verbrennung komme.
Pastor Jones hat nach eigenen Angaben mehr als 100 Todesdrohungen erhalten und trägt seit kurzem eine Pistole. Die ersten Drohungen habe er schon im Juli erhalten, als er zu einem «internationalen Verbrennt-den-Koran-Tag» aufgrufen hatte. Der Bürgermeister von Gainesville im US-Staat Florida, der Heimat von Jones' Gemeinde, hat den 11. September in seiner Stadt zu einem interreligiösen Solidaritätstag ernannt. Bürgermeister Craig Lowe ist in Auseinandersetzungen mit Terry Jones bereits geübt: Weil er offen zu seiner Homosexualität steht, wurde Lowe bereits das Ziel von Demonstrationen, die Terry Jones angeführt hatte. (dapd)
Koranhasser-Hasser leitete früher Gemeinde in Köln
Der radikale Prediger Terry Jones hat jahrelang eine freikirchliche Gemeinde in Köln geleitet. Der Fundamentalist habe die «Christliche Gemeinde Köln» 1982 auf göttliche Inspiration gegründet und bis vor wenigen Jahren geleitet, sagte Gemeindesprecher Thomas Müller am Mittwoch der Nachrichtenagentur dapd. Die Glaubensgemeinschaft distanzierte sich gleichzeitig entschieden von den Plänen ihres Gründers zur Koran-Verbrennung. «Wir sind absolut bestürzt darüber. Das ist völlig unchristlich», sagte Müller. Die Pläne von Jones seien eine Gefahr für die Christen in aller Welt. «Er hat ein übersteigertes Geltungsbedürfnis. Nur daraus kann ich mir diese Aktion erklären», fügte er hinzu.
Müller betonte, die Gemeinde mit ihren rund 100 Mitgliedern habe sich schon vor zweieinhalb Jahren von Jones getrennt. Es habe Differenzen über die christliche Lehre gegeben. Ausserdem sei seien Jones damals finanzielle Unregelmässigkeiten zur Last gelegt worden. Vor seinem Aufenthalt in Köln habe Jones bereits in einer Gemeinde in München gepredigt, sagte Müller. (dapd)