Mindestens 110 Tote bei US-Luftangriffen

Aktualisiert

AfghanistanMindestens 110 Tote bei US-Luftangriffen

Bei einem US-Luftangriff im Westen Afghanistans sind nach Angaben aus Behördenkreisen bis zu 120 Zivilpersonen getötet worden. Weitere Opfer werden derzeit noch aus den Trümmern geborgen.

Viele Familien seien aus Angst vor weiteren Angriffen aus der Region geflohen, sagte der frühere Bezirkschef von Bala Baluk, Mohammad Nieem Kadderdan, am Mittwoch. Das Rote Kreuz bestätigten den Tod von mehreren dutzend Zivilpersonen bei dem Angriff vom Montagabend.

Mitarbeiter der Hilfsorganisation sahen in zwei Dörfern in der Provinz Farah «jeweils Dutzende Leichen», darunter auch Frauen und Kinder, sagte eine Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Afghanistan, Jessica Barry. Präsident Hamid Karsai verurteilte den Vorfall als inakzeptabel und ordnete eine Untersuchung an. Er werde das Thema noch am Mittwoch bei seinem ersten Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ansprechen.

Dreissig Leichen zum Gouverneur gebracht

Ein gemeinsames Untersuchungsteam afghanischer und amerikanischer Vertreter brach unterdessen nach Bala Baluk auf, wo sich am Montag schwere Kämpfe zwischen Taliban und US-geführten internationalen Truppen zugetragen hatten. Dorfbewohner aus Gerani berichteten am Dienstag von schweren Luftangriffen, bei denen offenbar Dutzende Zivilpersonen getötet wurden.

Sie brachten aus Protest rund 30 Leichen zum Sitz des Gouverneurs der Provinz Farah. Es sei schwierig gewesen, die genaue Zahl der Toten zu ermitteln, weil die Körper schwer verstümmelt gewesen seien, sagte ein Mitglied des Provinzrats, Abdul Basir Khan. Andere Behördenvertreter sprachen von 70 bis 100 Toten.

Die Dorfbewohner erklärten, Frauen, Kinder und ältere Männer hätten sich in nahen Gehöften vor den Kämpfen versteckt. Kampfflugzeuge sollen diese jedoch bombardiert haben. Nach Angaben der Polizei wurden bei den Gefechten auch 25 Kämpfer der Taliban und drei Polizisten getötet.

«Sieben Mitglieder meiner Familie wurden getötet»

Fünf verletzte Zivilpersonen kamen nach US-Angaben zu einem amerikanischen Stützpunkt und wurden dort behandelt. Im Krankenhaus von Farah wurden mindestens drei teils schwer verletzte Patienten versorgt, darunter zwei Kinder. Ein Mädchen namens Schafiqa, die mehrere Verbände trug und zwei Zehen verloren hatte, sagte, sie sei zu Hause gewesen, als das Bombardement einsetzte. «Sieben Mitglieder meiner Familie wurden getötet», sagte sie der Fernsehnachrichtenagentur APTN.

Die Opferzahlen waren zunächst schwer zu überprüfen, da der Bezirk Bala Baluk so gefährlich ist, dass Behördenvertreter oder Journalisten nur selten in das Gebiet vordringen können. Die Opfer von Luftangriffen in der Zivilbevölkerung sorgen immer wieder für grosse Spannungen: Sie setzen die Regierung in Kabul unter Druck und erhöhen die Unzufriedenheit der Menschen gegenüber den ausländischen Truppen der NATO und der USA, die zunehmend als Besatzer wahrgenommen werden.

Wieder Anschlag auf Bundeswehr nahe Kundus

Im Norden Afghanistans wurde derweil erneut ein Anschlag auf deutsche Soldaten verübt. Wie die Bundeswehr am Mittwoch mitteilte, wurde die Patrouille aus sechs geschützten Fahrzeugen 25 Kilometer östlich von Kundus am Abend mit einem Sprengsatz angegriffen und anschliessend mit leichten Handfeuerwaffen beschossen. Die deutschen Soldaten hätten das Feuer erwidert. Bei dem Angriff wurde den Angaben zufolge eines der Fahrzeuge leicht beschädigt. Verletzt wurde auf deutscher Seite niemand.

Russland für Verschärfung des Kampfs gegen Drogen

Das russische Unterhaus forderte die NATO und die UN auf, den Kampf gegen den Drogenhandel in Afghanistan zu verschärfen. In einer am Mittwoch verabschiedeten Erklärung der Staatsduma hiess es, es seien härtere und besser koordinierte Massnahmen notwendig. Der Chef der Drogenkontrollbehörde, Viktor Iwanow, sagte, Russland werde von einem «Heroin»-Tsunami aus Afghanistan bedroht. Afghanistan ist der weltgrösste Produzent von Opium.

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