«Wir wollen dich nicht»Obama: EU soll Türkei aufnehmen
US-Präsident Barack Obama hat die Europäische Union aufgerufen, die Türkei als Mitglied aufzunehmen. Dies wäre ein positives Signal für die islamische Welt, sagte Obama beim EU-USA-Gipfel in Prag. Vor dem Besuch von US-Präsident Barack Obama in der Türkei haben dort mehrere tausend Menschen gegen die amerikanische Aussenpolitik demonstriert.
Zahlreiche Aktivisten versammelten sich am Sonntag in Istanbul und in Ankara, wo Obama am Abend erwartet wurde. «Wir wollen dich nicht», riefen Demonstranten bei einer Protestaktion am Samstag in Ankara. Auf einem Transparent in Istanbul war zu lesen: «Obama geh' zurück nach Hause». Beim EU-USA-Gipfel in Prag sprach sich der US-Präsident unterdessen für eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union aus.
In Ankara wurden am Sonntag Strassensperren errichtet und Scharfschützen postiert, ausserdem galt ein Flugverbot. Am Montag reist Obama nach Istanbul weiter, dort sollen rund 9000 Polizisten in Bereitschaft versetzt werden.
Die Proteste richteten sich nicht gegen Obama persönlich, sondern gegen die Politik seiner Regierung, sagte einer der Demonstranten, Abdullah Türker. Washington solle die Türkei nicht als Korridor für den Abzug seiner Truppen aus dem Irak nutzen. Andere Demonstranten warfen den USA vor, die israelischen Angriffe auf Palästinenser im Gazastreifen zu ignorieren.
Die EU begrüsst Obamas Aufruf, die EU-Mitgliedstaaten sind eher zurückhaltend
Obama erklärte, eine EU-Mitgliedschaft der Türkei wäre ein positives Signal für die islamische Welt. Die 2005 begonnenen Beitrittsverhandlungen stecken in einer Sackgasse. Grund sind Meinungsverschiedenheiten unter anderem wegen des Zypern-Konflikts und wegen der Menschenrechte.
Frankreich, Österreich und andere EU-Mitglieder haben aber auch Vorbehalte gegen die Aufnahme eines bevölkerungsreichen Landes mit einem grossen Anteil von Armen. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte in einem Fernsehinterview, seine Haltung gegen eine Mitgliedschaft der Türkei habe sich nicht verändert und werde sich auch nicht ändern. Die «grosse Mehrheit» der EU-Mitglieder teile diese Haltung.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, es gebe unterschiedliche Auffassungen, ob es eine privilegierte Partnerschaft oder einen Beitritt der Türkei geben solle. «Darüber ringen wir noch.» Sie glaube aber, dass eine enge Anbindung der muslimischen Welt und insbesondere der Türkei an die EU richtig sei. Merkel hatte eine EU-Mitgliedschaft der Türkei als CDU-Vorsitzende immer abgelehnt und für eine privilegierte Partnerschaft plädiert. Als Kanzlerin trägt sie den Beitrittsprozess allerdings mit.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüsste die Äusserungen Obamas. Alle 27 EU-Mitgliedstaaten seien sich einig, dass die Beitrittsverhandlungen fortgesetzt werden sollen. «Letztlich müssen wir sehen, ob die Türkei bereit ist beizutreten und ob die Europäische Union bereit ist, die Türkei zu aufzunehmen», sagte er vor Journalisten in Prag. «Das ist eine Entscheidung, die wir später zu treffen haben.» (dapd)
Obama beginnt Türkei-Besuch
US-Präsident Barack Obama ist am Sonntag in Ankara zu einem mehrtägigen Besuch in der Türkei eingetroffen. Obama reiste aus Prag an. Sein Besuch in Ankara und Istanbul wird in der Türkei als Zeichen für die gewachsene Bedeutung des Landes verstanden. Am Montag will Obama Gespräche mit Präsident Abdullah Gül und Regierungschef Recep Tayyip Erdogan führen und vor dem Parlament sprechen. Im Anschluss fliegt er nach Istanbul, wo er bis Dienstag bleiben wird.
Von dem Besuch Obamas wird ein Signal der Zusammenarbeit mit gemässigten Kräften in der islamischen Welt erwartet. Es ist seit dem Amtsantritt sein erster grosser Besuch in einem Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit.