Schuhwerfer schwer misshandelt?

Aktualisiert

Bush-ProtestSchuhwerfer schwer misshandelt?

Die arabische Welt hat einen neuen Helden: Montasser al-Saidi, den irakischen Journalisten, der US-Präsident Bush mit Schuhen beworfen hat. Laut seinem Bruder musste er die Tat mit schweren Verletzungen bezahlen, die ihm von Sicherheitsbeamten zugefügt wurden.

von
Peter Blunschi

Der wegen seines Schuhwurfs auf US-Präsident George W. Bush weltweit beachtete irakische Fernsehjournalist Montasser al-Saidi ist von den irakischen Sicherheitsbehörden offenbar schwer verletzt worden. Wie sein Bruder, der 32-jährige Durgham, der Nachrichtenagentur AFP sagte, sind bei Saidi ein Arm und mehrere Rippen gebrochen, zudem erlitt er Verletzungen an einem Auge und an einem Bein.

Sein Bruder werde von Sicherheitskräften des nationalen irakischen Sicherheitsberaters Muaffak el Rubai in der «Grünen Zone» in Bagdad gefangen gehalten, sagte Durgham. Rubai wollte zu den Aussagen nicht Stellung nehmen. Als der 29-jährige Saidi vom Ort des Angriffs abgeführt worden war, waren dort Blutspuren zu sehen.

Schuhe gelten in der arabischen Welt als unrein. Nicht umsonst müssen sie vor dem Betreten einer Moschee ausgezogen werden. Jemanden mit Schuhen zu bewerfen, gilt folglich als schlimme Beleidigung. Einzelne Stimmen kritisierten die Tat des 29-jährigen Journalisten Montasser al-Saidi denn auch als Verstoss gegen die traditionelle arabische Gastfreundschaft. Doch diese sind eindeutig in der Minderheit. Ob in Cafés, am Fernsehen, in Internet-Foren – überall dominierten Stolz und Freude über die Tat.

Solidarität und neue Stelle für den Schuhwerfer

Der libanesische Fernsehsender New TV (NTV) bot Saidi in seiner am Montagabend ausgestrahlten Nachrichtensendung eine Stelle an. Er solle «von dem Moment an bezahlt werden, in dem er den (ersten) Schuh warf», sagte die Nachrichtenchefin Fadja Bassi. Zudem sei NTV bereit, die Kaution für Saidis Freilassung und seine Anwaltskosten zu übernehmen. Der Sender ist für seine anti-amerikanische Ausrichtung bekannt.

Al-Saidi habe «einen seltenen Moment der Einigkeit in einer Region, die oft mit sich selbst in Unfrieden ist», herbeigeführt, stellte die «New York Times» fest. Jahrelange Frustration über die Politik der USA und den Krieg im Irak sei zum Ausdruck gebracht worden, schrieb die «Washington Post». Überall im Irak demonstrierten am Montag Tausende für die Freilassung des Fernsehreporters. In der Stadt Nadschaf wurde ein US-Militärkonvoi mit Schuhen beworfen. «Ich schwöre bei Gott, dass alle Iraker jeglicher Nationalität froh über die Tat sind», sagte ein Lehrer aus der nordirakischen Stadt Mossul der «New York Times».

Ein Schuh für 10 Millionen

In der ganzen arabischen Welt kam es zu Solidaritätsbekundungen. Auf einem grossen Transparent im Zentrum der syrischen Hauptstadt Damaskus hiess es: «Oh heldenhafter Journalist, vielen Dank für das, was du getan hast.» Eine wohltätige Stiftung in Libyen, die von Gaddafi-Tochter Aischa geleitet wird, verlieh Montasser al-Saidi einen Preis für Tapferkeit und verlangte seine Freilassung. Ein saudischer Geschäftsmann bot gemäss Medienberichten 10 Millionen Dollar für einen der beiden Schuhe.

Der in Kairo ansässige Fernsehsender Al-Bagdadija, für den der Journalist tätig ist, widmete seine Berichterstattung am Montag ausschliesslich der Schuh-Geschichte und blendete den ganzen Tag ein Foto von al-Saidi ein. Der hatte seine Tat offenbar seit langem geplant. Saif al-Din al-Kaisi, ein Redaktor bei Al-Bagdadija, erinnerte sich gemäss «Washington Post» an eine Unterhaltung aus dem Jahr 2007, in der sein Kollege gesagt habe: «Ich hoffe, ich werde Bush treffen und ihn mit meinen Schuhen schlagen.»

Bis sieben Jahre Gefängnis

Sein Bruder Dirgham al-Saidi, der selber als Kameramann tätig ist, widersprach gegenüber CNN dieser Darstellung. Die Tat sei «spontan» gewesen und stellvertretend für Millionen Iraker erfolgt, die «den Tyrannen erniedrigen wollen». Montasser habe die Amerikaner gehasst, ihre Militärpräsenz habe er auf dem Sender konsequent als «Besatzung» bezeichnet. Viele seiner Berichte handelten von Witwen und Waisen im Irak. Er habe aber keiner Partei oder Bewegung angehört, betonte Maithan, ein weiterer Bruder: «Niemand hat ihn dafür bezahlt, er tat es aus Liebe zum Irak.»

Die irakische Regierung zeigte bislang kein Gehör für die Appelle zur Freilassung von Montasser al-Saidi. Ein Berater von Ministerpräsident Nuri al-Maliki bezeichnete ihn als «Schande für den Journalismus». Gemäss Medienberichten drohen ihm bis zu sieben Jahre Gefängnis. Bei der Familie haben sich nach Angaben seiner Brüder allerdings bereits mehr als 100 Anwälte aus der ganzen Welt gemeldet – darunter auch ein Verteidiger von Saddam Hussein, so die «New York Times».

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Video: Reuters

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Video: AP

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