Sri Lankas RebellenchefSonnengott oder Grössenwahnsinniger
Seine Anhänger feiern ihn als ihren Sonnengott, doch für seine Feinde ist er nichts weiter als ein skrupelloser Grössenwahnsinniger: Der Chef der srilankischen Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTEL), Velupillai Prabhakaran.
Prabhakaran lebe, verkündete die srilankische Armee am Freitag, und noch immer stehe er an der Spitze seiner mittlerweile von Truppen eingekesselten Tamilen-Tiger. Dem 54-Jährigen könnte nun bald die entscheidende Schlacht bevorstehen. Er gilt als einer der geschicktesten und zugleich meistgefürchteten Guerilla-Führer in der Geschichte der modernen Kriegsführung.
Prabhakaran scheint gleich mehrere Eigenschaften seiner berüchtigten «Kollegen» aus anderen Ländern auf sich zu vereinen: die taktische Raffinesse eines Achmed Schah Masud in Afghanistan mit der Brutalität eines Osama bin Laden und der Entschlossenheit des lateinamerikanischen Revolutionäres Ché Guevara.
Prabhakaran, dessen Rebellen seit drei Jahrzehnten für einen eigenen Tamilen-Staat im Norden Sri Lankas kämpfen, terrorisierte seine Heimatinsel und sogar den mächtigen Nachbarstaat Indien. Das Anwerben und den Einsatz von Selbstmordattentätern brachte er schon zu perfider Perfektion, als es das Terrornetzwerk Al-Kaida noch gar nicht gab.
Verantwortung für zahlreiche Politikermorde
Die Kämpfer Prabhakarans machten grundsätzlich keine Gefangenen, bei ihren Angriffen auf srilankische Truppen überlebte häufig kein einziger Soldat.
Der Tötungsmaschinerie des beleibten schnauzbärtigen Kriegsherrn Prabhakaran wird die Ermordung des früheren indischen Regierungschefs Rajiv Gandhi im Jahr 1991 genauso zur Last gelegt wie die Morde an Sri Lankas Präsident Ranasinghe Premadasa 1993, Aussenminister Lakshman Kadirgamar im Jahr 2005 und an zahllosen Bürgermeistern, ranghohen Polizisten und Militärs.
Prabhakarans Tamilen-Tiger haben eine eigene Armee, Marine und Luftwaffe, finanziert und ausgerüstet mit Hilfe illegaler Geldquellen und Schmuggelei.
Als einziger über Krieg oder Frieden entscheiden
Prabhakarans Einsatz für seine Vision vom Tamilen-Staat Tamil Eelam sei «unzweifelhaft», erinnert sich der ehemalige Rebell Dharmalingam Sithadthan, der heute Politiker ist: «Er war der einzige Mann in Sri Lanka, der entscheiden konnte, ob es Krieg oder Frieden geben sollte.»
Geboren wurde der Rebellenchef am 26. November 1954 auf der Halbinsel Jaffna, einer Tamilenhochburg. 1972 taucht er ab, damals noch eher Banden- als Rebellenchef - um später einen Krieg mit mindestens 70 000 Toten anzuführen, von denen gut ein Drittel seine eigenen Leute waren.
Als er gesehen habe, wie srilankische Sicherheitskräfte tamilische Zivilisten misshandelt hätten, habe er beschlossen, sein Leben dem Kampf für die tamilische Sache zu widmen, sagte er einmal. Tausende junge Männer und Frauen folgten seinem Ruf zu den Waffen. Wie ihr Meister tragen sie alle Zyanid-Kapseln bei sich, um einer Festnahme durch Selbstmord zu entgegen.
«Er kann nicht aufgeben»
Obwohl er in den Fluren europäischer Hauptstädte und in Washington als Terrorist gebrandmarkt wird, suchten Diplomaten doch das Gespräch mit ihm, um den am längsten anhaltenden Bürgerkrieg Asiens zu einem Ende zu brigen.
Doch seit der Regierung in Colombo der Geduldsfaden riss und sie - ungeachtet eines Friedensplans - beschloss, den Rebellen ein für allemal den Garaus zu machen, begann Prabhakarans Macht zu bröckeln. Inzwischen sind die restlichen Rebellen nach Armeeangaben in einem rund zehn Quadratkilometer grossen Gebiet eingekesselt, Prabhakaran nach Armee-Angaben unter ihnen.
«Er kann nicht aufgeben», sagt der indische Prabhakaran-Biograf M.R. Narayan Swamy: «Ein Prabhakaran, der kämpft und unterliegt, wird eine Legende werden, zumindest für sein Volk.» Bei einem Prabhakaran, der die Flucht ergreife, sei das etwas ganz anderes. (sda)