Warum der zweifelhafte Rat blind ist

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UNO-MenschenrechtsratWarum der zweifelhafte Rat blind ist

Mit der Wahl von Libyen in den Menschenrechtsrat ist der sprichwörtliche Bock zum Gärtner gemacht worden. Was wie ein Betriebsunfall aussieht, hat aber System.

Daniel Huber
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Daniel Huber
Abstimmung im UNO-Menschenrechtsrat in Genf: Meinungsfreiheit einschränken, um Religionen zu schützen

Abstimmung im UNO-Menschenrechtsrat in Genf: Meinungsfreiheit einschränken, um Religionen zu schützen

Zum zweiten Mal ist die Schweiz von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York in den Menschenrechtsrat gewählt worden. Die Freude über die Wahl dürfte sich freilich in Grenzen halten: In den nächsten drei Jahren wird auch Libyen, das nach wie vor die Schweizer Geisel Max Göldi festhält, in dem Gremium Einsitz nehmen. Das nordafrikanische Land wurde trotz Mahnungen von Menschenrechtsorganisationen problemlos gewählt — wenn auch mit dem schlechtesten Ergebnis aller Kandidaten. Die SVP forderte bereits, die Schweiz solle den Rat verlassen.

Die Wahl eines der repressivsten Länder der Welt, wie die Menschenrechtsorganisation Freedom House Libyen im Vorfeld der Wahl qualifizierte, in ausgerechnet jene UNO-Organisation, die explizit dem Schutz der Menschenrechte verpflichtet ist, wirft ein grelles Licht auf die Defizite des Menschenrechtsrates. In dem Gremium waltet, wie Henryk Broder schon 2008 im «Spiegel» feststellte, ein «Kartell der Täter», das dafür sorge, dass nichts beschlossen wird — oder auch nur zur Sprache kommt —, «was einem der ihren schaden könnte».

Missglückter Neustart

Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen. 2006 ging der auf 47 Mitgliedsländer verschlankte Menschenrechtsrat — auch auf Initiative der Schweizer Diplomatie hin — aus der völlig diskreditierten UNO-Menschenrechtskommission hervor, die zum Spielfeld autoritärer Regimes geworden war. Der damalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan proklamierte eine «neue Ära der Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen». Doch der Neuanfang missglückte jämmerlich: Schon an der ersten Sitzung in Genf nahm mit dem Generalstaatsanwalt Said Mortasawi als Mitglied der iranischen Delegation ein Büttel des Mullah-Regimes teil. Die kanadische Regierung rief zu seiner Verhaftung auf, da er in die Ermordung einer Regimekritikerin verwickelt gewesen sei.

Ebenfalls in seiner ersten Sitzung beschloss der Rat überdies, künftig in jeder regelmässigen Sitzung Israel zum Thema zu machen — als einzigen Staat der Welt. Und in dieser Art ging es weiter: Die islamischen Staaten, die etwa ein Drittel der Stimmen auf sich vereinen, verhindern systematisch jede Überprüfung eines Landes ihrer Gruppe. So wurde der Sudan trotz der massiven Menschenrechtsverletzungen in Darfur geschont, und auch zu den Zuständen in Somalia oder im Iran schweigt der Rat eisern. Selbst die eklatanten Menschenrechtsverletzungen während der Endphase des Bürgerkriegs in Sri Lanka führten lediglich zu einer zahnlosen Resolution. Dafür befasste sich der Menschenrechtsrat allein im Jahr 2007 nicht weniger als 120 Mal mit Israel. Und die Schweiz wurde vom Mitgliedsland Ägypten aufgefordert, intensiver gegen den Rassismus vorzugehen.

Keine Kritik an der Scharia

Daneben arbeiten die islamischen Länder darauf hin, Kritik am Islam, insbesondere am islamischen Rechtssystem der Scharia, als rassistisch zu brandmarken. Im März 2008 gelang es Pakistan, eine entsprechende Resolution durch den Rat zu bringen, die diesen beauftragt, sich auch mit religiöser Diskriminierung im Namen der Meinungsfreiheit zu befassen.

Die Unzulänglichkeiten des Rates sind struktureller Art. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts stehen die Industrieländer in der Generalversammlung der UNO und auch in den Untergremien wie dem Menschenrechtsrat einer Mehrheit von Schwellen- und Entwicklungsländern gegenüber. Insbesondere die islamischen Länder, die in der «Organization of the Islamic Conference» (OIC) und der Gruppe der arabischen Staaten organisiert sind, neigen zur Blockbildung. Zusammen mit den afrikanischen Staaten und regelmässig unterstützt von Kuba, China und Russland, dominieren sie den Rat nach Belieben. In ihrer Sicht verhält sich die westliche Staatengruppe heuchlerisch, da sie beispielsweise nicht bereit ist, Menschenrechtsverletzungen der USA, etwa im Gefangenenlager Guantánamo, zu benennen. Das Trauerspiel im Menschenrechtsrat dürfte denn auch — mit oder ohne Libyen — unverändert weitergehen.

(engl. Human Rights Council, franz. Conseil des droits de l'homme), ein Nebenorgan der UNO-Generalversammlung, löste im Rahmen der vom damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan vorangetriebenen Reform der Vereinten Nationen im Juni 2006 die UNO-Menschenrechtskommission ab. Der Rat hat seinen Sitz in Genf und kann, wie bereits die Menschenrechtskommission, mit absoluter Mehrheit die Entsendung von Beobachtern zur Überwachung der Menschenrechtssituation in einem Mitgliedstaat beschliessen.

Die 47 Mitglieder werden aus kontinentalen Gruppen gewählt. Afrika und Asien sind mit je 13 Sitzen vertreten. Lateinamerika und die Karibikstaaten verfügen über acht, Osteuropa über sechs Sitze und Westeuropa sowie die restlichen Staaten über sieben.

Die Nichtregierungsorganisation «UN Watch» untersucht die Aktivitäten und Beschlüsse der UNO, insbesondere des Menschenrechtsrats.

(Wikipedia.org)

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