Lok-Entgleisung wegen neuer Zugsicherung ETCS

Aktualisiert

Lok-Entgleisung wegen neuer Zugsicherung ETCS

Die Entgleisung einer Güterzug-Lok vor dem Portal des Lötschberg-Basistunnels wurde durch einen Fehler beim neuen Zugsicherungssystem ETCS verursacht. Der Tunnel ist seit dem frühen Abend wieder in Betrieb.

Der Unfall geschah in der Nacht auf Dienstag gegen 3.40 Uhr. Auf einer falsch gestellten Weiche bei der Tunneleinfahrt entgleiste das vordere Drehgestell der Lok, und der Zug wurde abgebremst, wie die Tunnel-Betreiberin BLS AG mitteilte. Er transportierte 18 Lastwagen der Rollenden Autobahn zwischen Freiburg D und Novara I.

Gefährliche Güter

Personen wurden keine verletzt. Die Chauffeure hätten im Zug weitergeschlafen, sagte BLS-Sprecher Rolf Grossenbacher auf Anfrage. Noch am Dienstag wurde der Zug zur Untersuchung in den Bahnhof Spiez geschleppt.

Zwei Lastwagen hatten potenziell gefährliche Güter geladen. Für die Umwelt habe jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden, da nur die Lok entgleist sei, sagte Grossenbacher.

Fehler im Zugleitsystem

Zum Unfall führte laut BLS eine Verkettung von drei aussergewöhnlichen Faktoren. Vor der Tunneleinfahrt habe die Betriebsleitzentrale in Spiez dem Zug einen Stoppbefehl erteilt, um einem anderen Güterzug den Vortritt zu gewähren, sagte Grossenbacher.

Dieser Befehl erfolgte in der Anmeldephase auf das neue ETCS- Zugleistystem. Mit diesem ist bisher zwar der Basistunnel, nicht jedoch die Zufahrtssrecke ausgerüstet.

Gleichzeitig sei im ETCS-System ein Softwarefehler aufgetreten. Er habe bewirkt, dass der Lokführer nicht an der Weiterfahrt gehindert wurde, obwohl die Weiche vor dem Tunnelportal falsch gestellt war.

Der Fehler im ETCS-System komme nur in der Phase des Systemwechsels zum Tragen. Bei der Simulation der Fahrten auf der Strecke habe er nicht erkannt werden können. Weder der Lokführer noch die Betriebsleitstelle könnten für die Entgleisung verantwortlich gemacht werden.

«Kein grundsätzliches Sicherheitsproblem»

Am Dienstagabend wurde der Basistunnel wieder für den Verkehr geöffnet. Vorerst ist im nördlichsten Abschnitt aber nur ein Gleis befahrbar.

Laut Grossenbacher handelt es sich um den ersten Unfall auf der Lötschberg-Basisstrecke. Er verneinte ein grundsätzliches Sicherheitsproblem im Basistunnel. Die geplante Eröffnung für die fahrplanmässigen Reisezüge am 9. Dezember sei nicht gefährdet.

Letzten Freitag war bekanntgeworden, dass ein Teil der Notfalllautsprecher im Basistunnel noch nicht funktioniert, obwohl bereits erste Personenzüge durch den Tunnel fahren. Die Lautsprecher sollen aber innert Kürze einsatzbereit sein.

7000 Güterzüge seit Juni

Die Basisstrecke befindet sich seit Juni in der sogenannten Ertüchtigungsphase. Seither wurden laut Grossenbacher rund 7000 Güterzüge durch den Tunnel geführt. Seit Mitte September transportiert zudem der sogenannte NEAT-Express der SBB täglich vier Mal Reisende durch den 34-Kilometer langen Basistunnel.

Am Dienstagvormittag wurde der NEAT-Express aus dem Wallis über die Bergstrecke umgeleitet und ausnahmsweise bis Bern geführt, wo die Reisenden mit einer Verspätung von gut einer halben Stunde ankamen. In der Gegenrichtung fiel der NEAT-Express aus. (sda)

ETCS

Das europäisch einheitliche Zugsicherungssystem ETCS (European Train Control System) ermöglicht es den Lokomotivführern, bei Geschwindigkeiten über 160 Stundenkilometer die Signalisation im Führerstand zu erkennen.

Am Lötschberg-Basistunnel wird ECTS ab dem 9. Dezember täglich 110 Züge sichern, die mit bis zu 250 km/h durch den Tunnel fahren können. Gelänge dies nicht, müssten die Züge auf ein Rückfallsystem mit Aussensignalen bei den Tunnelportalen ausweichen. Dies würde sich negativ auf die Kapazitäten, vorab im Güterverkehr, auswirken.

Ab Tempo 160 kann das menschliche Auge die Signale auf der Strecke nicht mehr gut erkennen. Bei höherer Geschwindigkeit werden die Signale mit Hilfe von ETCS auf einem Bildschirm im Führerstand angezeigt. Ein Computer vergleicht die gefahrene Geschwindigkeit mit der maximal möglichen und löst nötigenfalls eine Bremsung ein.

Verwendet wird ETCS zusammen mit dem drahtlosen Sprach- und Datenkommunikationsnetz GSM-R (Global System for Mobile Communication Railways). Es ermöglicht die Kommunikation zwischen Leitstelle und Führerstand und ersetzt die Funksysteme des Rangier- und Bauverkehrs. Bis 2015 soll ETCS in der Schweiz grossflächig eingeführt sein. (sda)

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