Durch diese zwei Türen entkam der Amokfahrer

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Schizophrenie-PatientDurch diese zwei Türen entkam der Amokfahrer

Der Basler Amokfahrer ist gewaltsam aus der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Uniklinik ausgebrochen. Der Mann musste dafür drei Türen überwinden, zwei davon sind speziell gesichert.

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Der Amokfahrer von Basel ist am Dienstag gewaltsam aus der psychiatrischen Klinik ausgebrochen. Als eine Praktikantin kurz nach 18 Uhr die Abteilung verlassen habe, um im ebenfalls nach aussen geschlossenen Übergangsbereich zu arbeiten, sei ihr der 27-jährige Patient durch die noch nicht ganz geschlossene Abteilungstür nachgerannt. Er entriss ihr trotz Gegenwehr den Abteilungsschlüssel und stiess sie dabei um. Danach schloss er die Tür zum Treppenhaus auf und rannte durch die dritte, offene Tür ins Freie.

Wie Marc Graf, Direktor der forensischen Abteilung der Psychiatrischen Uniklinik Basel am Mittwoch an der Pressekonferenz sagte, hat die Praktikantin darauf sofort Alarm ausgelöst. «Obwohl die Kollegen schnell vor Ort waren, konnte der Patient schon entfliehen.» Zum Zeitpunkt des Ausbruchs sei die Abteilung mit drei Pflegefachleuten und einer Pflegepraktikantin normal besetzt gewesen. «Überall, wo Schlüssel im Einsatz sind, muss man mit einer Überwältigung oder einer Geiselnahme rechnen», sagte Graf. Die Klinik will nun mit einem externen Audit überprüfen lassen, ob die bisherigen Sicherheitsstandards angepasst werden müssen.

Marc Graf, Direktor der forensischen Abteilung der Psychiatrischen Uniklinik in Basel, erläutert im Video, wie der 27-jährige Psychiatriepatient aus der geschlossenen Abteilung entkommen konnte:

«Leidet unter paranoider Schizophrenie»

Der 27-jährige Mazedonier, der in der Schweiz geboren wurde, wurde im September 2007 wegen einfacher Körperverletzung zu sechs Monaten Haft verurteilt - er hatte einen Mann mit einem Hammer geschlagen. Nach einem psychologischen Gutachten wurde die Strafe in eine stationäre Massnahme umgewandelt. Allerdings war das Massnahmenzentrum St. Johannsen mit der Behandlung des jungen Manns überfordert - deshalb sitzt er seit 2008 sitzt er in der geschlossenen Abteilung der Forensisch-Psychiatrischen Klinik.

«Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie», sagte Graf vor den Medien. Diese äussere sich vor allem durch Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Ebenfalls weise er eine Persönlichkeitsstörung auf.Der Patient werde medikamentös behandelt. Mehrere Überprüfungen hätten allerdings ergeben, dass es sich «bei diesem Patienten um einen als nicht gemeingefährlich eingestuften Täter handelt». Der bisherige Behandlungsverlauf sei wegen der Schwere der Störung schwierig gewesen. Dabei sei es auch zu Tätlichkeiten gegenüber Mitpatienten gekommen, jedoch nicht zu schweren Delikten.

Verwirrter Mann zurück in Psychiatrie

Der 27-Jährige befindet sich wegen Suizidgefahr inzwischen in einer Isolationszelle in den psychiatrischen Kliniken, von wo er entwichen war. Laut Graf wurde er bereits ein erstes Mal untersucht. «Es geht ihm nicht gut.» Momentan gebe es keinen Anhaltspunkt, dass er Menschen auf der Flucht töten oder verletzen wollte. Offenbar wollte er die Schweiz verlassen. «Er hat schon in der Klinik geäussert, dass er nach Mazedonien auswandern wolle - obwohl er zum Land keinen familiären Bezug mehr hat», sagt Graf. Die Staatsanwaltschaft will nun Untersuchungshaft beantragen und hat ein Verfahren unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung und Körperverletzung eingeleitet. Sie wird auch entscheiden, ob der Patient in der Klinik bleibt oder allenfalls in ein Gefängnis verlegt wird.

Bei der Irrfahrt am Dienstagabend kam eine 46-jährige Radfahrerin ums Leben. Sieben Personen wurden insgesamt verletzt. Drei Schwerverletzte befanden sich am Mittwochmittag noch immer in Spitalpflege. Der verwirrte Fahrer soll noch im Verlauf des Mittwochs einvernommen werden.

Seinen Anfang nahm das Drama etwa um 18.30 Uhr am Voltaplatz in Basel, wo der geistig verwirrte Mann einen Autolenker angriff und dessen Fahrzeug entwendete. Mit hoher Geschwindigkeit fuhr er danach durch das St.-Johann-Quartier und über die Mittlere Brücke, wobei er insgesamt acht Personen überfuhr. Nachdem der Wagen auf der Kleinbasler Seite der Brücke zum Stehen gekommen war, versuchte der Mann zu Fuss zu flüchten, konnte aber von drei Passanten überwältigt werden.

«Der Mann leidet unter Wahnvorstellungen»

Herr Sachs*, was ist das für eine Person, die gezielt Jagd auf andere Menschen macht? Josef Sachs: Der Mann leidet dem Vernehmen nach unter Wahnvorstellungen und einer schizophrenen Störung. Er lebt in seiner eigenen Welt. Es ist anzunehmen, dass er sein Verhalten gestern nicht steuern konnte und von Halluzinationen oder fremden Stimmen getrieben war. Vielleicht hatte er das Gefühl, einen Auftrag erfüllen zu müssen.

Herr Sachs*, was ist das für eine Person, die gezielt Jagd auf andere Menschen macht? Josef Sachs: Der Mann leidet dem Vernehmen nach unter Wahnvorstellungen und einer schizophrenen Störung. Er lebt in seiner eigenen Welt. Es ist anzunehmen, dass er sein Verhalten gestern nicht steuern konnte und von Halluzinationen oder fremden Stimmen getrieben war. Vielleicht hatte er das Gefühl, einen Auftrag erfüllen zu müssen.

Den Auftrag, andere Menschen zu töten?

Man kann darüber nur mutmassen. Es ist aber durchaus möglich, dass sich der Mann bedroht fühlte und nur noch fliehen wollte – ohne Rücksicht auf Verluste.

War er also doch gemeingefährlich und wurde falsch eingeschätzt?

Nur auf Grund einer psychischen Störung kann man einen Menschen nicht als gemeingefährlich einstufen. Das wird von der Justiz entschieden und hängt unter anderem von seinen Vorstrafen ab. Dazu, ob diese Einschätzung richtig war, will ich mich aber nicht äussern. sma

*Josef Sachs ist Gerichtspsychiater

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