Grenchener DreifachmordTödliches Schneeballsystem?
Nach dem grausigen Fund dreier Leichen in Grenchen haben Bekannte erste Vermutungen geäussert, weshalb die Familie ermordet wurde: Sie soll Menschen mit einem dubiosen Schneeballsystem abgezockt haben. Zudem soll die Familie bis zu 200 000 Franken in der Wohnung aufbewahrt haben.
Der Vater Pierre André (60) wurde erschossen, die behinderte Tochter Dania (35) gefesselt und mit einem Sack über dem Kopf ermordet in der Grenchener Wohnung gefunden. Mutter Margrit (55) fand man im Büro der Familie im Parterre - ebenfalls gefesselt und mit einem Sack über dem Kopf. Nach wie vor ist nicht geklärt, weshalb die Familie brutal ausgelöscht wurde.
Bekannte der Familie vermuten, es könnte mit einem Glücksspiel zusammenhängen, das nach dem Schneeballsystem funktioniert. Gemäss «grenchen.net» soll die Frau einen solchen illegalen Schenkkreis betrieben haben. Neben teils gut betuchten Schweizern sollen auch viele italienische Staatsangehörige diesem angehört haben. Anfangs habe diese Geldmaschine sehr gut funktioniert. «Die ersten sahnten so richtig ab», erzählte ein Bekannter «grenchen.net». Doch in letzter Zeit sei die Geldmaschine ins Stocken geraten.
Familie ungewöhnlich gut situiert
«Vor zwei Wochen fragte mich Margrit, ob ich nicht 15 000 Franken investieren wolle. Das Geld käme doppelt, dreifach und vierfach wieder rein, versprach sie», erzählt eine Nachbarin im «Blick». Weil sie das Geld nicht hatte, schlug ihr Margrit sogar vor, es ihr auszuleihen. Sie schien verzweifelt auf der Suche nach neuen «Investoren». Denn der treibende Motor hinter dem Schenkkreis soll klar die 55-jährige Margrit gewesen sein. Ihr Mann wird als «lieber Tscholi» bezeichnet, der sich im Hintergrund gehalten habe.
Der Familie ging es laut «Blick» «finanziell ungewöhnlich gut». Obwohl der Vater Arbeiter in der Uhrenindustrie und nebenbei Abwart des Hauses gewesen sei, hätte die Familie erst vor zwei Jahren die Wohnung neu renovieren lassen. Auch eine rauschende Geburtstagsfeier hätten sie sich leisten und ein Büro im Parterre des Wohnhauses
mieten können.
Zeitweise bis zu 200 000 Franken in der Wohnung
Bekannte geben zudem gegenüber «grenchen.net» an, Margrit habe jeweils bis zu 200 000 Franken Bargeld in der Wohnung aufbewahrt. Geld, welches an Treffen des Schenkkreises zirkuliert habe. Waren die Mörder auf der Suche nach diesem Geld?
Klar ist: Die Spuren der Verwüstung in der Wohnung deuten auf eine akribische Durchsuchung der Räumlichkeiten hin.
Auch ein Racheakt der Geschädigten ist nicht auszuschliessen. Solche soll es in Grenchen und Umgebung einige geben. Das Vorgehen der Täter deutet jedoch eher auf Profis hin. Zudem wollen verschiedene Personen zur vermuteten Tatzeit einen weissen Kastenwagen mit Zürcher Nummernschild vor dem Haus gesehen haben (20 Minuten berichtete).
(rub/ann)
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Wie funktionieren Schenkkreise?
Schenkkreise sind eine Form des Schneeball- oder Pyramidensystems. Neue Teilnehmer schenken nach ihrem Eintritt in die Gruppe Mitgliedern, die bereits länger dabei sind, Geld, in der Hoffnung, später, nach einem Aufstieg in der Hierarchie, selbst beschenkt zu werden. Meist gibt es vier Hierarchiestufen. Auf der ersten Stufe steht ein Mitspieler, der sich von acht Teilnehmern der vierten Stufe Geld schenken lässt. Die Höhe der Schenkbeträge ist von Kreis zu Kreis unterschiedlich. Im Fall von Grenchen soll er 15 000 CHF betragen haben. Der Spieler der ersten Stufe scheidet nach der «Schenkung» aus. Die Spieler der ursprünglich zweiten Stufe stehen nun auf der ersten Stufe und lassen sich von den neu angeworbenen acht Teilnehmern auf der vierten Stufe wiederum Geld schenken. Um den Kreis am Laufen zu halten, müssen immer mehr Teilnehmer angeworben werden. Nach 10 Runden müssten 4.096 neue Teilnehmer vorhanden sein, damit alle bis dahin gegründeten Kreise neue Teilnehmer auf der vierten Stufe erhalten. Wollen diese 4.096 neuen Teilnehmer irgendwann einmal auf der ersten Stufe stehen, müssten danach schon weitere 32.768 neue Teilnehmer angeworben werden. (Quelle: Wikipedia)