Brennendes Bern: Entsetzen von links bis rechts
Die Reaktionen auf den Gewalt-Eklat in der Bundeshauptstadt sind zahlreich und deutlich: Die SVP spricht von einer Schande, die SP nimmt die Rechtspartei in Schutz. Die Polizei wird heftig kritisiert.
Die um ihre Kundgebung auf dem Berner Bundesplatz beraubte SVP spricht in einem Communqiué Klartext. Eine Schande für die Schweiz sei es gewesen, was sich am Samstagnachmittag in Bern abgespielt habe.
Geplant gewesen sei ein friedlicher Umzug, doch gewalttätige «links-grüne Chaoten» hätten die Polizei und friedliche Kundgebungsteilnehmer frontal angegriffen und das geplante Volksfest verhindert. Die Demokratie und das freie Wort seien mit Füssen getreten worden.
Das Volk müsse zur Kenntnis nehmen, dass eine linksfaschistische Gewaltbereitschaft über die verfassungsmässigen Bürgerfreiheiten triumphieren könne. Ein Staat, der die freie Meinungsäusserung und die friedliche politische Manifestation nicht zu gewährleisten im Stande sei, höre auf, Rechtsstaat zu sein.
Dies seien die Früchte der links-grünen Politik durch die jahrelange Verhätschelung, das Totschweigen, Schönreden und die Duldung linksalternativer Gewaltexzesse, behauptet die SVP weiter.
SP veteidigt Meinungsfreiheit der SVP
Auch Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey hat die Krawalle in Bern verurteilt. «Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist ein Fundament unserer Demokratie», sagte sie in einem Interview mit der Zeitung «SonntagsBlick».
«Es ist unzulässig, dass einige Extremisten diese Rechte durch Gewalt beschneiden.» In der Schweizer Demokratie gebe es «keine politischen Feinde, sondern nur politische Gegner», sagte Calmy- Rey. «Ich erwarte, dass alle Seiten die politische Debatte mit Respekt vor unseren Werten führen. Auch bei Kundgebungen.»
Angesprochen auf die Tatsache, dass in Bern neben Linksextremen auch Neonazis aufmarschiert seien - letztere bei der Kundgebung der SVP - sagte die Bundespräsidentin: «Ein paar Hundert Extremisten vermögen unsere Demokratie nicht zu gefährden. Ich habe Vertrauen in das Volk.»
Calmy-Rey appellierte an die Parteien im Wahlkampf, mit gegenseitigen Provokationen und der Angstmacherei aufzuhören: «Die derzeitigen Provokationen und Anschuldigungen in der Politik hinterlassen Spuren. Man soll aufhören, mit den Ängsten zu spielen, nur um ein paar Stimmen zu gewinnen.»
Sie spreche sich für Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus, egal ob auf dem Rütli, auf dem Bundesplatz oder anderswo, teilte die SP Schweiz mit. Diese demokratischen Mittel müssten für alle gewährleistet bleiben. Die Gewalttätigkeiten der Chaoten seien inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen.
Auch Mitorganisatoren der Anti-SVP-Demo «ganz Fest gegen Rassismus» distanzierten sich von den Randalierern. Jenni sagte auf Anfrage, die Veranstalter der Gegenkundgebung könnten lediglich die Verantwortung für das Fest auf dem Münsterplatz übernehmen, und dieses sei friedlich verlaufen.
Hat die Polizei versagt?
Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) verurteilt «in aller Schärfe» die Gewaltexzesse im Umfeld der SVP- Gegenkundgebung vom Samstag in Bern. Die Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz gelte für alle.
«Dieses Grundrecht ist ein Grundpfeiler der Demokratie, dass wir uns nicht von irgenwelchen Gruppierungen kapputmachen lassen, aus welchem Lager sie auch kommen», sagte Tschäppät.
Über die Gewaltexzesse sei er «wütend», gleichzeitig empfinde er «eine gewisse Ohnmacht». Keine Stellung nehmen wollte Tschäppät zu Vorwürfen der SVP, die Stadtpolizei habe zu wenig getan, um den geplanten SVP-Umzug durch die Innenstadt zu ermöglichen. Er sei jedoch sicher, dass die Polizei die Situation ernstgenommen habe.
Tschäppät verteidigte das Vorgehen des Gemeinderats, über das Gesuch zur Gegenkundgebung nicht in eigener Regie zu entscheiden, sondern diesen Entscheid der Stadtpolizei zu überlassen. Es sei anzunehmen, dass es im Umfeld einer bewilligten Gegenkundgebung zu ähnlichen Gewaltexzessen gekommen wäre.
Polizei nimmt nochmals Stellung
Offen bleibt aber dennoch die Frage, weshalb die Polizei ausgerechnet den symbolträchtigen Bundesplatz, wo die SVP-Kundgebung in einem Fest hätte enden sollen, von vermummten Feiglingen gestürmt werden konnte, die Stände von Unbeteiligten, Ladengeschäfte und Autos demolierten.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass Vermummte auf dem Bundesplatz längere Zeit hätten aktiv sein können, ohne dass die Polizei eingeschritten sei, finden auch die Berner SP und die Grünen in einer gemeinesamen Mitteilung. Offen bleibe, warum Polizeidirektor Stephan Hügli kein adäquates Polizeidispositiv bereitgestellt habe.
Der städtische Polizeidirektor Stephan Hügli (FDP) wollte am Samstag Fragen zur Polizeistrategie nicht beantworten. Für Sonntagvormittag hat er dazu eine weitere Medienkonferenz anberaumt.
Chaos in Bern - die Videos von 20minuten.ch-Reporter Maurice Thiriet:
(sda)