Stapi unerfreut«Botellón-Krise» in Bern
In Bern soll vor dem Bundeshaus ein Massenbesäufnis stattfinden - ein so genannter «Botellón». Die Stadt unternimmt alles, um das zelebrierte Saufen zu verhindern. Das würde das Image der Stadt trüben, das mit der Euro 2008 aufpoliert wurde.
Stadtpräsident Alexander Tschäppät will den Anlass auf keinen Fall tolerieren. Solche Massenbesäufnisse seien nicht nur gesundheits-, sondern auch imageschädigend, sagte Tschäppät am Dienstag gegenüber der «Tagesschau» von Schweizer Fernsehen SF. Lösungen müssten zusammen mit anderen Städten gesucht werden. In Bern will er einen «Botellón» aber auf keinen Fall dulden.
«Man kann solche Anlässe über das Demonstrationsreglement verbieten», sagte der Stadtpräsident. Jurist Tschäppät will zur Not sogar die polizeiliche Generalklausel bemühen.
Diese dient zur Abwendung von schweren Gefahren, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage fehlt. Ein solcher Ernstfall liegt für Tschäppät offenbar vor: Es sei unbestritten, dass Massenbesäufnisse zu Krawall, Lärm und grossen Abfallbergen führten, sagte er.
Bewilligung für Saufen
Bedenken hat auch Roland Thür von der Berner Gewerbepolizei. Bei einem organisierten Trinken auf dem Bundesplatz handle es sich ganz klar um gesteigerten Gemeingebrauch öffentlichen Grunds, sagte er am Dienstag der Nachrichtenagentur SDA auf Anfrage. Dieser sei bewilligungspflichtig.
Der angebliche Botellón auf dem Bundesplatz eigne sich hervorragend, um die Notwendigkeit einer solchen Bewilligung aufzuzeigen. Am gleichen Abend sei dort nämlich schon ein Anlass vorgesehen: ein Openair-Konzert des Berner Symphonieorchesters. Dieses wies just am Dienstag auf den Anlass hin.
Schon allein deshalb dürfte wohl die Stadt Bern eine Bewilligung verweigern, falls jemand um eine solche ersuchen würde. Dazu kommt, dass die Strassennutzungsverordnung der Stadt Bern präzisiert, wann Bewilligungen verweigert werden können: So auch, wenn eine Beeinträchtigung des Stadtbilds zu befürchten ist.
Das ist wohl der Fall. Liessen doch die ersten Schweizer Nachahmer der in Spanien in Mode gekommenen Massenbesäufnisse, die sich Mitte Juli in einem Genfer Park trafen, viel Abfall zurück.
Die Kantonspolizei Bern lässt auch keinen Zweifel daran, dass sie wenn nötig intervenieren würde. Sie könne jederzeit eingreifen, wenn die öffentliche Sicherheit und die Ordnung gefährdet sei, sagte Sprecher Olivier Cochet auf Anfrage. So auch bei strafbaren Handlungen wie Sachbeschädigungen.
20 Minuten fragte auf der Strasse, was die Berner über den «Botellón» denken:
Was hältst du vom geplanten Massenbesäufnis in Bern?
Benjamin Schemer (23), Bern
Es gibt sicher Sinnvolleres, als sich gemeinsam zielgerichtet zu betrinken. Obwohl ich nicht gegen Alkohol an sich bin, finde ich es nicht erstrebenswert, sich bis zum Abwinken die Kante zu geben.
Michael Wälchli (16), Lützelflüh
Der Anlass könnte zwar schon noch lustig werden. Doch das Besäufnis gerade auf dem Bundesplatz zu veranstalten, finde ich zu provokativ. Müssen viele nach dem Trinken ins Spital, wird es ausserdem teuer.
Sarah Aeschbacher (30), Bern
Mich erstaunt, dass so ein Botellón Spass machen soll. Generell finde ich den Event zwar bedenklich, aber es wird den meisten wohl nicht schaden. Man kann und will die Jungen ja nicht ständig überwachen.
Patrick Minder (18), Bern
Ich werde mich sicher dazugesellen und auch mittrinken, falls ich an diesem Abend in Bern bin. Natürlich gibt es das Risiko, dass einige Betrunkene aggressiv werden, aber das ist doch auch an anderen Events so.
Loredana Catale (20), Langenthal
Für mich wäre so ein BotellÓn ganz klar nichts. Ich habe allgemein Mühe damit, wenn sich Leute komplett besaufen. Ausserdem könnte es gefährlich werden, wenn schon 12-Jährige mitbechern. (sda)
Zürcher Aufruf zu Massenbesäufnis zurückgezogen
Der Aufruf zu einer Botellón am übernächsten Freitag in Zürich ist vom 17-jährigen Organisator wieder zurückgezogen worden, wie er am Dienstag auf seiner Facebook-Seite im Internet mitteilte.
Er könne den Aufruf nicht mehr verantworten, schreibt der Jugendliche. Wegen «ungenauer und zum Teil falscher Berichterstattung der Medien» sei aus einem friedlichen Zusammentreffen ein «Massenbesäufnis» herbeigeschrieben worden.
Aufgrund des immensen Medieninteresses sei absehbar, dass der Anlass eine Grösse annähme, die ihn bewilligungspflichtig machten. Er sehe sich nicht mehr im Stande, die Botellón aufrecht zu erhalten und ziehe sich als «Organisator» zurück.
(sda)