Vorwurf des MassakersUS-Soldat tötet Kinder und Frauen - gezielt
Noch ist unklar, weshalb ein US-Soldat am frühen Morgen einen Stützpunkt in Kandahar verlassen und bis zu 16 Zivilisten getötet hatten. Angela Merkel ist derweil für einen Kurzbesuch eingetroffen.

Die afghanische Armee kontrolliert die Bevölkerung in Kandahar, nachdem US-Soldaten in einem Amoklauf viele Zivilisten getötet haben.
Die internationalen Truppen in Afghanistan haben nach Darstellung der Regierung in Kabul ein Massaker unter der Zivilbevölkerung mit 16 Toten angerichtet. Unter den Opfern seien auch neun Kinder und drei Frauen, erklärte Präsident Hamid Karsai am Sonntag.
Karsai sprach von vorsätzlichen Morden und verlangte von den USA eine Erklärung. Es handle sich um ein Attentat, eine «absichtliche Tötung unschuldiger Zivilisten, für die es keine Vergebung geben kann».
Die blutige Tat wurde in der Provinz Kandahar im Süden des Landes verübt. Zeugen berichteten, US-Soldaten seien nachts in Wohnhäuser eingedrungen und hätten das Feuer eröffnet. Nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums wurden auch neun Personen verletzt.
Obama telefoniert Karsai
Die Regierung der USA geht nach eigenen Angaben von einem Einzeltäter aus. Präsident Barack Obama bezeichnete den Amoklauf eines US-Soldaten als «tragisch und erschreckend». In einem Telefonat mit Karsai habe er «Schock und Trauer» zum Ausdruck gebracht, teilte das Weisse Haus am Sonntag mit.
Das Verhalten des Soldaten sei nicht repräsentativ für amerikanische Militärangehörige. Obama versicherte Karsai des «tiefen Respekts für das afghanische Volk und der engen Bande zwischen unseren beiden Ländern».
Gleichzeitig sprachen Obama und das US-Aussenministerium den betroffenen Familien ihr «aufrichtiges Beileid» aus. Obama sagte zu, jedweden Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
«Rasche Untersuchung»
Der Oberkommandant der Afghanistan-Truppe ISAF, General John Allen, sagte eine rasche Untersuchung zu. Er wolle dafür sorgen, dass nach der Klärung der Verantwortlichkeit Strafen verhängt würden, erklärte Allen. Dies verspreche er «dem afghanischen Volk».
Ein Sprecher der internationalen ISAF-Truppe erklärte am Morgen, der Soldat sei nach seiner Rückkehr auf den Stützpunkt festgenommen worden und befinde sich in Gewahrsam. Auch ein Minister der Regierung in Kabul hatte zuvor einen einzelnen US-Soldaten für die Tat verantwortlich gemacht.
Offenbar betrunken
Zeugen berichteten, die amerikanischen Soldaten hätten gelacht und seien offenbar betrunken gewesen. Ein Dorfbewohner sagte, elf seiner Angehörigen seien getötet worden, darunter seine Kinder und Enkel. «Sie haben die Leichen mit Chemikalien übergossen und verbrannt», sagte der Mann. Er selbst habe das Haus am Tag zuvor verlassen.
Die US-Botschaft in Kabul warnte vor Vergeltungstaten. Die radikalislamischen Taliban, die in der betroffenen Gegend stark vertreten sind, kündigten Racheakte an.
Belastete Beziehungen
Die Beziehungen zwischen Afghanen und den NATO-Truppen erreichten erst im vergangenen Monat einen Tiefpunkt, nachdem auf einem Stützpunkt der US-Streitkräfte mehrere Ausgaben des Korans verbrannt worden waren.
Daraufhin wurden unter anderen zwei US-Offiziere im afghanischen Innenministerium erschossen. Die NATO zog daraufhin ihre Berater aus den Ministerien in und um Kabul ab. Grossbritannien, Deutschland und Kanada folgten dem Schritt.
Die Regierungen in Washington und Kabul verhandeln derzeit über eine strategische Partnerschaft nach dem Rückzug der letzten US- Kampftruppen im Jahr 2014.
Nach Angaben von Präsident Karzai soll ein Vertrag im Mai unterzeichnet werden, erklärte er am Sonntag. Der Staatschef sagte, beide Seiten hätten sich auf «neue Rahmenbedingungen» verständigt, so dass der Vertrag zum NATO-Gipfel in Chicago unterschriftsreif vorliegen könne.
Beitrag zum Amoklauf auf Euronews:
(Video: Youtube/Euronews) (jam/sda)
US-Soldat handelte offenbar auf eigene Faust
Der in Afghanistan der Tötung von 16 Zivilpersonen beschuldigte US-Soldat hat nach Informationen aus US-Behördenkreisen auf eigene Faust gehandelt, als er seinen Stützpunkt verliess und in zwei Dörfern das Feuer auf Zivilpersonen eröffnete.
Wie ein Gewährsmann der Nachrichtenagentur AP mitteilte, war der mutmassliche Täter als regulärer Soldat auf dem abgelegenen Stützpunkt im Süden Afghanistans zur Unterstützung von US-Spezialeinheiten stationiert.
Diese bauen dort zur Stabilisierung der Sicherheitslage in den umliegenden Dörfern Bürgerwehren auf. Der Heimatstützpunkt des mutmasslichen Todesschützen ist den Angaben zufolge eine Kaserne im US-Staat Washington. (ap)
Merkel zu Besuch in Afghanistan
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am frühen Montagmorgen in Afghanistan eingetroffen. Der Besuch werde nur einen Tag dauern und sei seit längerem geplant gewesen, sagte ein Sprecher des Presse- und Informationsamtes in Berlin. Auf dem Programm der Kanzlerin stehe ein Treffen mit Bundeswehrsoldaten in Masar-i-Scharif. Ein Flug nach Kundus sei wegen schlechten Wetters nicht möglich.
Auch der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist derzeit in Afghanistan. Er traf am Sonntag in Kabul ein. Das Programm Niebels musste wegen Schneefalls in der Region Kabul stark eingeschränkt werden.(dapd)