Bin Laden war bereit zu fliehen

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Keine BildveröffentlichungBin Laden war bereit zu fliehen

Die USA wollen keine Bilder des toten Terrorfürsten publizieren. Zudem gaben sie bekannt, dass Bin Laden Geld und Fotos in seine Kleidung eingenäht hatte, um jederzeit fliehen zu können.

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jam/erf

Das Weisse Haus wird nach übereinstimmenden US-Medienberichten keine Fotos des getöteten Terroristenchefs Osama bin Laden veröffentlichen. Das habe die US-Regierung am Mittwoch entschieden, meldeten die Fernsehsender NBC und CBS.

Die Regierung hatte tagelang beraten, ob sie die Aufnahmen freigeben solle, um eine endgültigen Beweis für den Tod des Terroristenchefs zu liefern. Regierungssprecher Jan Carney hatte erklärt, das Bild sei «schauerlich» und könnte wie Zündstoff wirken. Ausserdem könnte eine Veröffentlichung der Bilder die nationale Sicherheit der USA gefährden, erklärte Präsident Barack Obama. Er wolle nicht, dass die Fotos als Propagandamittel missbraucht würden.

«Klaffende Schusswunde und Gehirnmasse»

US-Sender zitierten ungenannte Quellen, nach denen auf den Aufnahmen eine klaffende Schusswunde am Kopf sowie Gehirnmasse zu sehen seien.

Noch kurz davor hatte sich Noch-CIA-Chef Leon Panetta für die Veröffentlichung eines Fotos des getöteten Terroristenführers ausgesprochen. «Ich denke, wir sollten dem Rest der Welt zeigen, dass wir in der Lage waren, ihn zu stellen und zu töten», sagte Panetta noch am Dienstagabend in den Nightly News des US-Senders NBC.

Die Bildagentur Reuters hat am Mittwochabend Fotos dreier blutüberströmter männlicher Leichen veröffentlicht. Es soll sich dabei um die drei Männer handeln, die neben Osama Bin Laden bei der US-Kommandoaktion den Tod gefunden haben. 20 Minuten Online verzichtet aus Pietätsgründen auf die Publikation der Bilder.

Justizminister verteidigt Tötung

Neben der Frage der Veröffentlichung von Fotos Bin Ladens sorgte auch die Erschiessung des Terroristenführers weiter für Diskussionen. Vor einem Senatsausschuss verteidigte US-Justizminister Eric Holder die Tötung.

Falls sich Bin Laden hätte ergeben wollen, «hätten wir das akzeptieren sollen», sagte Holder. «Es gab aber keinen Hinweis, dass er das tun wollte. Deshalb war seine Tötung angemessen.» Bin Laden sei ein «rechtmässiges militärisches Ziel» und die Kommandoaktion gegen ihn ein «Akt der nationalen Selbstverteidigung».

Die Aktion habe in Einklang mit den Gesetzen und den Werten der Vereinigten Staaten gestanden, sagte Holder. «Er war der Kopf der Al- Kaida, einer Organisation, die die Anschläge vom 11. September verübt hatte. Er hat seine Beteiligung gestanden.»

Die USA räumten inzwischen allerdings ein, dass Bin Laden entgegen ersten Angaben nicht bewaffnet war, als er von den Navy Seals in der pakistanischen Stadt Abbottabad getötet wurde. Um Widerstand zu leisten, brauche man keine Schusswaffe, sagte ein Sprecher des Weissen Hauses.

Bin Laden sei offenbar darauf vorbereitet gewesen, jederzeit zu fliehen. In seinen Kleidern waren rund 500 Euro eingenäht, zudem hatte er Telefonnummern bei sich, wie aus US-Kreisen verlautete.

Wachsende Sorge vor Anschlägen

Nach dem verbreiteten Jubel über den Tod Bin Ladens stieg auch in Afghanistan die Angst vor Vergeltungsschlägen. Der afghanische Geheimdienst rechnet fest mit einer Phase der Rache - und zwar in allernächster Zeit.

Diese «Phase der Rache», mit der gezeigt werden solle, dass der Kampf auch ohne Bin Laden weitergehe, werde aber nur von kurzer Dauer sein, erklärte das afghanische Verteidigungsministerium.

In Pakistan geriet die pakistanische Regierung nach Zweifeln des Auslands an ihrer Zuverlässigkeit auch innenpolitisch unter Druck. Am Mittwoch verlangten Politiker und Journalisten ungewöhnlich harsch Aufklärung über die Hintergründe der Tötung bin Laden.

Während die USA wissen wollen, wieso der Terrorist jahrelang offenbar unbemerkt in Abbottabad leben konnte, fragen viele Pakistaner, warum Regierung, Armee und Geheimdienst von dem Einsatz des US-Kommandos überrascht wurden. In pakistanischen Medien wurde der US-Einsatz vielfach als Verletzung der Souveränität gewertet.

US-Bürger habe schon mit Anschlag gedroht

Im US-Staat Iowa soll ein Mann wegen der Tötung Bin Ladens mit einem Anschlag gedroht haben. Gegenüber Arbeitskollegen soll er angekündigt haben, die Stadt Amana «in die Luft zu sprengen». Sheriff Robert Rotter sagte der Zeitung «The Des Moines Register» am Mittwoch, der Verdächtige werde von der US-Bundespolizei FBI verhört, um festzustellen, ob es sich bei den Drohungen um einen «schlechten Witz» gehandelt habe.

Der Verdächtige erschien am Mittwoch vor Gericht, nachdem er am Dienstag an seinem Arbeitsplatz in einer Fabrik für Kühlgeräte festgenommen worden war. Ihm wird «verbrecherische Terrordrohung» vorgeworfen. Die Kaution wurde auf 20 000 Dollar angesetzt.

Obama besucht Ground Zero

Bin Laden gilt als Hauptdrahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, bei dem etwa 3000 Menschen starben.

Die Tötung des Al-Kaida-Chefs liess die Umfragewerte von US- Präsident Obama sprunghaft steigen. Mit dem Militäreinsatz in Pakistan sind laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage von «USA Today» und Gallup 93 Prozent der Befragten zufrieden.

Obama will am Donnerstag den Ort der Anschläge in New York besuchen. Am Ground Zero, wo einst die Zwillingstürme des World Trade Center standen, will er nach Angaben des Weissen Hauses auch Angehörige der Opfer treffen. (jam/erf/sda/dapd)

Amnesty fordert Klärung offener Fragen

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die USA und Pakistan aufgefordert, Fragen im Zusammenhang mit der Tötung Osama Bin Ladens rasch zu klären. Informationen verlangte Amnesty insbesondere über den Zustand und den Verbleib der Personen, die sich während der Operation ebenfalls im Haus des Terroristenführers im pakistanischen Abbottabad aufgehalten hatten.

Laut Amnesty hatten sich während der Stürmung des Gebäudes 18 Personen dort aufgehalten. Die Organisation beruft sich dabei auf Angaben des pakistanischen Geheimdienstes. Nach US-Angaben wurden während der Aktion fünf Personen getötet und zwei Frauen verletzt. Nach der Operation seien die beiden verletzten Frauen mit mindestens sechs Kindern in dem Haus zurückgelassen worden.

Die Menschenrechtsorganisation kritisiert zudem, dass Bin Laden erschossen wurde, obwohl er nicht bewaffnet gewesen war. Amnesty ist der Ansicht, Bin Laden hätte stattdessen verhaftet und vor ein Gericht gebracht werden sollen. (sda)

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