Die Stunde der ewigen Zweifler

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Er lebt!Die Stunde der ewigen Zweifler

Verschwörungstheorien über Osama Bin Laden gab es schon vor seinem Tod zur Genüge. Weil die USA entschieden haben, keine Bilder seiner Leiche zu veröffentlichen, kommen derzeit weitere hinzu.

von
kri

Über wenige Ereignisse kursieren mehr und wildere Verschwörungstheorien als über die Terroranschläge vom 11. September 2001 und ihren mutmasslichen Drahtzieher Osama Bin Laden. Grob lassen sie sich drei Stränge erkennen: Es hat ihn nie gegeben. Er ist schon lange tot. Er lebt. Dass sie sich gegenseitig ausschliessen, hat den genialen Vorteil, dass jegliche neue Fakten vielleicht eine davon diskreditieren, eine andere dafür aber bestätigen.

Eine frühe Theorie basiert auf dem Umstand, dass Bin Laden in den 1980er Jahren in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzer kämpfte und die USA den Widerstand mit Waffen unterstützten: Die CIA soll hinter 9/11 stecken und ihren alten Handlanger dafür eingespannt haben, dem globalen Krieg gegen den Terror ein Gesicht zu geben. Bin Laden wäre demnach ein Konstrukt der US-Geheimdienste, um die Invasion in Afghanistan und im Irak zu rechtfertigen. Wenn es ihn gegeben habe, so war er doch nie jener Terrorfürst, als den ihn die Amerikaner verkauften.

Unzählige Tode gestorben

Eine weitere Theorie besagt, dass Bin Laden möglicherweise die Anschläge von 9/11 begangen hat, aber schon lange tot ist. Trotzdem werde behauptet, er sei immer noch am Leben, um den Krieg gegen den Terrorismus weiter rechtfertigen zu können. Er sei 2001 an einem Lungenleiden gestorben. Oder bei einem Angriff der Amerikaner im selben Jahr. Oder an einem Nierenleiden. Oder von seinen eigenen Leuten gemeuchelt worden. Manche Zweifler führen alle diese Todesursachen ins Feld, vermutlich in der Meinung, eine werde schon stimmen. Dass die USA jetzt behaupten, sie haben Bin Laden getötet, muss sie in eine schwere Krise stürzen.

Oder nicht. Sie könnten sich ganz einfach dem dritten Typus zuwenden: Bin Laden lebt und die jüngsten Behauptungen der US-Regierung sind alles Lug und Trug. Dass diese die Version der Ereignisse mehrmals korrigiert, die Leiche offenbar eilig im Arabischen Meer versenkt hat und definitiv kein Bildmaterial veröffentlichen will, lässt in der Tat Zweifel aufkommen.

Was beweist schon ein Bild?

Einige würden sich wohl von einer Veröffentlichung der Bilder der Leiche Bin Ladens überzeugen lassen. Die Unverbesserlichen unter ihnen freilich nicht. Schliesslich waren Barack Obamas Umfragewerte in jüngster Zeit so schlecht, da kommt der spektakuläre Fahndungserfolg genau zur rechten Zeit. Was beweist schon ein Bild? So viel wie die Kopie einer Geburtsurkunde.

Das Phänomen solcher Theorien ist beileibe nicht auf die USA beschränkt, auch wenn der Fundus an praktischen Anwendungsbeispielen hier am üppigsten ist. Wer hat John F. Kennedy erschossen? Lebt Elvis? Waren wir wirklich auf dem Mond? Was geschah wirklich in Pearl Harbor? Der Philosoph Karl Popper bezeichnete das Phänomen als «Verschwörungstheorie der Gesellschaft», gemäss der alles, was sich in einer Gesellschaft ereignet, das Ergebnis eines Planes mächtiger Individuen oder Gruppen sein soll.

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