Ein Bild für die Ewigkeit

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SchlüsselmomentEin Bild für die Ewigkeit

Barack Obama im «Situation Room» während der Aktion gegen Bin Laden könnte das Bild seiner Präsidentschaft werden. Die Ikonenbildung beginnt bereits – samt ihrer Begleiterscheinungen.

kri
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Von jedem US-Präsidenten der jüngeren Geschichte gibt es ein Bild, das wie kein anderes seine Amtszeit, sein Wesen und manchmal auch seine Tragik symbolisiert: John F. Kennedy am Tag seiner Ermordung in Dallas, sein Nachfolger Lyndon B. Johnson während der Vereidigung am selben Tag, Richard Nixons Victory-Zeichen nach seinem Rücktritt oder George W. Bush auf dem Flugzeugträger USS Abraham Lincoln mit dem Banner «Mission Accomplished» im Hintergrund.

Seit vergangenem Sonntag mutmasst die amerikanische Öffentlichkeit, Barack Obama könnte sich mit seiner Momentaufnahme aus dem «Situation Room» des Weissen Hauses während der Kommandoaktion gegen Osama Bin Laden in die illustre Bildstrecke einreihen.

Mit der Tötung des meistgesuchten Terroristen der Welt hat er sich ein Denkmal gesetzt – und seinen Anspruch auf Deutungshoheit frühzeitig mit der Freigabe jenes Bildes untermauert. Der Anblick der geschundenen Leiche Bin Ladens wird ihm hierbei nicht in die Quere kommen, wie er inzwischen verlauten liess.

Obama angespannt aber selbstsicher

Erste Analysen der Aufnahme wiesen darauf hin, dass der Präsident keine zentrale Position im Bild einnimmt und fast wie ein unbeteiligter Zuschauer wirkt – im Unterschied etwa zu Brigadegeneral Marshall B. Webb in seinem ausnehmenden Ledersessel in der Mitte des Bildes. Nichts deutet darauf hin, dass jene kleine Gestalt am Rand der Präsident sein könnte.

Wohlwollende Beobachter interpretierten das Missverhältnis allerdings zu Obamas Gunsten: Sein Selbstvertrauen sei so gross, dass er sich nicht künstlich in Szene setzen muss. So überlässt der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte einem seiner Generäle den besten Platz und kommt trotzdem gut weg.

CNN fiel etwas anderes auf: «Der Präsident, der so oft entspannt und mit einem Lächeln auf den Lippen fotografiert wird, hat einen ernsten Gesichtsausdruck.» Dieses Bild halte «einen Schlüsselmoment der Geschichte sehr gekonnt fest», kommentierte Eric Draper, einer von George W. Bushs Hausfotografen. Es sei dramatisch und bezeuge, wie angespannt die Lage zu jenem Zeitpunkt war.

Zunächst falscher Eindruck

«Für die Anwesenden war es vermutlich einer der beklemmendsten Momente in ihrem Leben», erinnerte sich Obamas Berater für Terrorismusbekämpfung John Brennan, der in der hinteren Reihe stand. «Natürlich waren wir angespannt, viele hielten den Atmen an. Überhaupt war es sehr still, als wir nach und nach über den Fortschritt informiert wurden.»

Ein wichtiger Aspekt dieser Anspannung blieb zunächst im Dunkeln. Sie war nicht so sehr Ausdruck dessen, was Obamas Führungsstab auf dem Monitor sah – sondern was er nicht sah. In den entscheidenden Minuten der Aktion war die Live-Verbindung zu den Helmkameras der Navy Seals unterbrochen, wie die US-Regierung später einräumen musste. Auch 20 Minuten Online kommentierte das Bild fälschlicherweise mit den Worten «Hier sieht Obama live, wie Bin Laden stirbt» und musste später berichtigen.

Eine im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung unausweichliche Begleiterscheinung der Ikonenbildung ist, dass sich – mehr oder weniger – findige Zeitgenossen am Bild zu schaffen machen. Auf einer der gelungeneren Montagen steuert Obama den Einsatz mit einer Playstation-Konsole.

Entsetzen oder unterdrücktes Niesen?

Es war ein Foto, das um die Welt ging: US-Aussenministerin Hillary Clinton hält sich die Hand vor den Mund, als sie im Weissen Haus mit Präsident Barack Obama und dem übrigen Sicherheitsteam die Kommandoaktion auf Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden verfolgt. Sie scheint als Einzige im Situation Room ihr Entsetzen nicht verbergen zu können. Doch Clinton will von dieser Interpretation ihrer Geste nichts wissen. Zwar seien es die «38 intensivsten Minuten ihres Lebens» gewesen, doch was in ihr vorgegangen sei, als das Foto entstand, wisse sie nicht mehr. Vielleicht habe sie nur ein Husten oder Niesen unterdrücken wollen, erklärte sie am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit ihrem italienischen Kollegen Franco Frattini in Rom.

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