Lost in TranslationÜbersetzungsfehler beeinflusst Weltpolitik
Die millionenfach kolportierte Aussage des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad «Israel muss von der Landkarte ausradiert werden» beruht auf einer ungenauen Übersetzung. Doch sowohl Iran als auch Israel halten daran fest.
Heute vor drei Jahren, am 26. Oktober 2005 ging folgende Meldung um die Welt: «Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad fordert, dass Israel von der Landkarte ausradiert werden muss». Diese Aussage, seither millionenfach abgedruckt, hat den iranischen Präsidenten im Westen als Antisemiten diskreditiert und mündete in einen verbalen Schlagabtausch zwischen Iran und Israel, der jederzeit in eine bewaffnete Auseinandersetzung ausarten könnte.
Unabhängige Experten, wie z.B. Juan Cole, Professor an der Universität Michigan, halten das Zitat für eine ungenaue Übersetzung. Ihres Erachtens sagte Amadinejad wörtlich: «Dieses Regime, das Jerusalem besetzt hält, muss von den Seiten der Zeit gelöscht werden». Demnach wären nicht Israel sondern die israelische Regierung und nicht die Weltkarte sondern die Geschichtsbücher Gegenstand der Brandrede gewesen.
Ahmadinedschad selbst erklärt stets, Iran habe nicht die Absicht irgendein Land anzugreifen. Vielmehr würde Israel dereinst zusammenbrechen wie zuvor das südafrikanische Apartheid-Regime oder die Sowjetunion. Trotz dieser Beteuerungen hält sich die ursprüngliche Übersetzung hartnäckig.
Ursprung liegt in Iran selbst
Das liegt zunächst daran, dass die Quelle nicht etwa eine westliche, den Feinheiten der persischen Sprache vielleicht unkundige Nachrichtenagentur war, sondern die staatlichen iranischen Medien selbst. Die ursprüngliche Meldung, mit der alles begann, kann bis heute unverändert auf der Website von IRIB News eingesehen werden. Ihr Titel: «Ahmadinedschad: Israel must be wiped off the map».
Ahmadinedschad goss wenig später Öl ins Feuer, indem er den Holocaust als «Mythos» bezeichnete. Als Zeitungen wie die New York Times und The Guardian begannen, anhand des persischen Originalskripts die genaue Bedeutung der Worte Ahmadinejads zu erörtern, war die Geschichte bereits zum Selbstläufer geworden.
In Israel warnen die Politiker von links bis rechts, Iran wolle das Land in einem atomaren Holocaust auslöschen und drohen ihrerseits mit einem Präventivschlag gegen die iranischen Atomanlagen. Unter dem Strich entsteht der Eindruck, dass weder Iran noch Israel alles daran setzen, die Kontroverse zu entschärfen. Dafür gibt es aus Sicht beider Länder plausible Gründe.
Iran und Israel profitieren
Laut einer Meinungsumfrage der Universität Maryland geniesst der iranische Präsident in der arabischen Welt grosses Ansehen. Das ist erstaunlich vor dem Hintergrund jahrhundertealter Ressentiments zwischen Arabern und Persern. Ahmadinedschad hat sich mit dem Palästinakonflikt ein urarabisches Anliegen auf die Fahne geschrieben und so seine Position im Nahen Osten gestärkt – laut derselben Umfrage befürwortete eine Mehrheit der Araber auch das umstrittene iranische Atomprogramm.
Israel auf der anderen Seite, das oft genug für seine Politik kritisiert wird, erhält Sympathiebekundungen aus der ganzen Welt. «Ahmadinedschad ist unser grösstes Geschenk», wurde Ephraim Halevy, von 1998 bis 2002 Chef des israelischen Auslandgeheimdienstes Mossad, am 20. August 2008 in der israelischen Tageszeitung Haaretz zitiert. «Wir könnten beim Mossad keine bessere Operation durchführen als jemanden wie Ahmadinedschad im Iran an die Macht zu bringen. Er vereint die ganze Welt gegen [unseren Feind] Iran». Die Wortgefechte werden weitergehen, denn letzlich sehen beide Länder in der Kontroverse eine Möglichkeit, die eigene Position zu stärken.
Die Diskussionen um falsche und richtige Übersetzungen wurden in weiten Teilen der Welt nicht gehört, auch in der Schweiz nicht. In der Arena vom 13. September 2008 zur Aussenpolitik von Bundesrätin Calmy-Rey behauptete Geri Müller (Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates), Ahmadinedschad habe nie gesagt, dass Israel vernichtet werden soll und stiess damit auf sicht- und hörbares Unverständnis in der Runde.