AtomstreitAraber fürchten Iran mehr als Israel
Mit der israelischen Atombombe haben sich die Araber abgefunden, eine iranische wollen sie nicht hinnehmen. Ein tausendjähriger Konflikt geht in die nächste Runde.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad mit Scheich Chalid bin Ahmed Al Chalifa, dem Aussenminister von Bahrain. Erst im letzten Jahr hatte ein Berater des iranischen Revolutionsführers das Königreich als «14. Provinz des Iran» bezeichnet.
«Unterstützen Sie einen amerikanischen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen?» fragte Jeffrey Goldberg, Korrespondent des US-Nachrichtenmagazins «The Atlantic». «Absolut, unsere Armee erwacht, träumt, atmet, isst und schläft die iranische Bedrohung. Es gibt kein Land in der Region, das uns bedroht, ausser Iran», lautete die Antwort – nicht etwa vom israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, sondern von Yousef al-Otaiba, Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) in Washington.
Goldberg kommentierte darauf: «Juden und Araber bekämpfen einander seit hundert Jahren, Araber und Perser seit tausend Jahren.» Genau genommen seit fast 1400 Jahren. In der Schlacht von Kadesia 636 n. Chr. fügten die arabischen Invasoren den Persern die erste von zwei entscheidenden Niederlagen zu und unterwarfen wenig später auch deren Stammland, das heutige Iran.
Militärisch besiegt, kulturell überlegen
Die Unterlegenen empfanden den Verlust ihres Weltreichs als doppelte Schmach, militärisch und kulturell. Im iranischen Nationalepos, dem «Buch der Könige», klagt der letzte persische Grosskönig Yazdegerd III.: «Verdammt sei diese Welt, diese Zeit und dieses Schicksal, dass unzivilisierte Araber gekommen sind, um einen Moslem aus mir zu machen…seht her und verzweifelt.»
Die Perser verzweifelten nicht vollends. Ausserstande, ihre militärische Niederlage umzukehren, übten sie sich in kulturellem Widerstand und bewahrten im Unterschied zu den arabisierten Nordafrikanern die eigene Sprache. Und selbst ihre Islamisierung gelang nur mit einem Schönheitsfehler: Iran entwickelte sich zum Zentrum des Schiitentums, einer Abspaltung des traditionellen, sunnitischen Islams der Eroberer. Gerne betonen heute Iraner, dass sie damals zwar Moslems, aber nicht Araber geworden sind.
Orientalische Grossmachtsfantasien
Das letzte Kalifat, das Osmanische Reich, brach im Ersten Weltkrieg zusammen und ist nun wie das Perserreich Geschichte. Doch das hindert weder Araber noch Perser daran, gelegentlich in alte Grossmachtsmuster zurückzufallen. Der irakische Diktator Saddam Hussein startete 1980 einen Überraschungsangriff auf die junge Islamische Republik Iran und berief sich dabei auf die Schlacht von Kadesia. Aus Furcht vor einem Revolutionsexport – Ayatollah Chomeini hatte erklärt, der Islam kenne keine Landesgrenzen – schlugen sich die arabischen Länder (ausser Syrien und Oman) auf die irakische Seite.
Sekunden vor seiner Hinrichtung Ende 2006 rief Saddam Hussein sein Volk noch einmal zum Widerstand gegen die Perser auf. Irakischer Premierminister war zu diesem Zeitpunkt bereits der Schiit Nuri al-Maliki, der zuvor aus dem iranischen Exil zurückgekehrt war. Seither wächst am Persischen Golf die Angst vor einer schiitischen Achse Iran-Irak-Syrien-Libanon, die wiederum die schiitischen Minderheiten in Saudi-Arabien, Kuwait, VAE, Katar und Bahrain (schiitische Mehrheit) gegen die sunnitischen Herrscher aufhetzen könnte.
Brennpunkt Persischer Golf
Auch lange nach dem Ende des Iran-Irak-Kriegs ist der Persische Golf Schauplatz zahlreicher Territorialdispute zwischen Iran und den arabischen Golfstaaten. Iran hält drei Inseln besetzt, auf die auch die VAE Anspruch erheben. Die grösste, Abu Mussa, liegt gerade einmal 70 km vor der Küste Dubais. Bis in die 70er Jahre beanspruchte Iran auch Bahrain. Erst vergangenes Jahr provozierte ein Berater des iranischen Revolutionsführers Chamenei einen diplomatischen Eklat, als er Bahrain als «14. Provinz des Iran» bezeichnete, die der Schah «einfach aufgegeben habe». Marokko brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Iran ab.
Schon der blosse Begriff «Persischer Golf» löst auf arabischer Seite Unmut aus, denn sie nennen ihn «Arabischer Golf», was wiederum die Iraner verärgert. Der letzte Schah von Iran fühlte sich in einem Interview einmal bemüssigt, den Journalisten entsprechend zurechtzuweisen. Auch heute führt der Namensstreit regelmässig zu erbitterten Irritationen.
Echsenfresser gegen Ungläubige
Wenn die Waffen schweigen, finden Araber und Perser andere Wege, ihre gegenseitige Abneigung zu zelebrieren. Saddam Husseins Onkel hatte einst Perser, Juden und Fliegen als Fehler der Schöpfung bezeichnet. Der letzte Schah von Iran verunglimpfte das kleinere Irak dafür als «armseligen Zwerg». Ebenfalls gebräuchlich ist «Echsenfresser» – die alten Perser glaubten, in der arabischen Wüste gäbe es nichts anderes zu essen.
Für viele Araber reicht «Schiit» als Schimpfwort, «ungläubig» und «Iran-Kollaborateur» sind darin inbegriffen. Die Abneigung ist zumindest auf einer Seite statistisch belegt: In einer Umfrage räumten 24 Prozent der befragten Iraner eine kritische Haltung gegenüber Arabern ein – verglichen mit 20 Prozent gegenüber Amerikanern.
Für die arabischen Golfstaaten sind Israel und sein Atomwaffenarsenal weit weg, der Erzfeind Iran hingegen lauert direkt vor der Tür. Dessen Atomprogramm interpretieren sie als neuerlichen Versuch der Perser, das regionale Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verschieben.