«Die Blocher-Abwahl gibt der SVP Rückenwind»
Die neue Situation im Bundeshaus und die neue Zusammensetzung im Bundesrat wirft einige Fragen über künftige politische Abläufe auf. Politologe Andreas Ladner gibt im Interview mit 20minuten.ch erste Einschätzungen ab.
Die Aufregung der letzten 24 Stunden ist noch überall zu spüren. Während die eine Parlamentshälfte aufatmet, sorgt Eveline Widmer-Schlumpfs Entscheid, die Wahl in den Bundesrat anzunehmen, im rechten Lager für rote Köpfe. Politologe Andreas Ladner von der Universität Bern schätzt die Folgen dieser Wahlen für künftige politische Entscheidungen ein.
20minuten.ch: Die SVP geht nun in die Opposition. Was heisst das konkret für den politischen Alltag im Bundeshaus?
Andreas Ladner: Die SVP hat vor allem zwei Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Sie kann auf der einen Seite mit Initiativen und Referenden versuchen, unliebsame Beschlüsse zu bekämpfen. Auf der anderen Seite kann sie sich weigern, Kompromisse einzugehen. Das wird sich vor allem bei jenen Vorlagen negativ auswirken, die nur eine knappe Mehrheit im Parlament finden. Auch in den Kommissionen können sicher nicht mehr so leicht Päckchen geschnürt werden.
Das war bereits vor den Bundesratswahlen häufig die Art der SVP zu politisieren.
Der Unterschied im Parlament ist tatsächlich nicht sehr gross. Die SVP wird verstärkt versuchen, öffentlichen Druck aufzubauen. Sie wird den Aufbau ihrer Partei in jenen Gebieten vorantreiben, wo sie noch nicht so stark verankert ist. Der Ausgang dieser Bundesratswahlen und die Abwahl von Christoph Blocher gibt ihnen dabei sicherlich Rückenwind.
In welchen Gebieten wird die SVP versuchen, mehr Stimmen zu bekommen?
Sie wird vor allem in jene Gebiete dringen, die bisher CVP-Stammland waren. Insbesondere in den Zentralschweizer Kantonen könnte die SVP nun an Boden gewinnen und dort besonders im rechten Flügel der CVP Stimmen holen.
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Bundesrat Samuel Schmid sind nun fraktionslos. Welche Auswirkungen hat das auf die Ausübung ihres Amtes?
Es kam noch nie vor, dass Bundesräte fraktionslos waren. Das ist unüblich, aber sicher machbar. Sie müssen sich nun andere Verbündete ausserhalb ihrer eigenen Partei suchen. Sie haben keine starke Front im Rücken.
Hat es in der SVP keine Mitglieder, die die beiden Bundesräte unterstützen?
Es gibt sicher einen Teil des liberalen Flügels - vor allem aus dem Bündnerland und dem Kanton Bern - der Eveline Widmer-Schlumpf unterstützen wird. Mehr als zwei bis maximal zehn Parteimitglieder werden es aber kaum sein.
Nun sitzen drei Frauen im Bundesrat. Welchen Einfluss hat dieser Umstand auf die Politik?
Das ist sicher etwas Positives. Nun bringen drei Frauen ihre Lebenserfahrungen mit ein.
Eveline Widmer-Schlumpf war einer breiten Öffentlichkeit bisher kaum bekannt. Trotzdem wird sie direkt in den Bundesrat gewählt.
Dass ein Regierungsrat direkt in den Bundesrat gewählt wird, kam auch schon vor und ist nichts Aussergewöhnliches. Frau Widmer-Schlumpf ist in der Politik eine bekannte Persönlichkeit. Sie konnte als Regierungsrätin des Kantons Graubünden Erfolge verbuchen. Die erfolgreiche Ausübung dieses Amtes reicht absolut als Qualifikation, um in den Bundesrat gewählt zu werden.
Tina Fassbind, 20minuten.ch