Erzwungene RücktritteWenn der Druck zu stark wird
Hans-Rudolf Merz tritt nicht ganz freiwillig zurück. Seit Monaten stand er unter Druck von aussen. Und er ist nicht der erste Bundesrat, dem dieses Schicksal widerfährt.

Hans-Rudolf Merz, Samuel Schmid und Elisabeth Kopp haben alle ihren Posten nicht ganz freiwillig geräumt. (Bilder: Keystone/Reuters)
Spätestens seit seiner missglückten Tripolis-Reise zur Befreiung der zwei Schweizer Geiseln in Libyen stand Hans-Rudolf Merz unter enormem Druck. Viele Politiker wünschten sich einen baldigen Rücktritt. Offen haben sie die Rücktrittsforderungen selten formuliert. Zuerst übten sich die Politiker in Zurückhaltung, weil die Geiseln noch nicht befreit waren. Danach hielten sie sich zurück, weil sie befürchteten, mit diesen Forderungen Merz bloss zu einer Trotz- Reaktion zu drängen.
Auch FDP-Präsident Fulvio Pelli setzte Merz nicht öffentlich unter Druck. Er stellte sich demonstrativ vor Merz und sprach davon, dass ein Rücktritt vor Ende der Legislatur für die FDP ungünstig wäre. Beobachter sahen darin jedoch ein Ablenkungsmanöver. Sie gehen davon aus, dass es für die FDP wichtig ist, mit einem neuen Gesicht ins Wahljahr 2011 zu starten.
Auch Schmid unter Druck gegangen
Hans-Rudolf Merz ist nicht das erste Regierungsmitglied, dessen Rücktritt nach einer langen Druck-Phase erfolgt. Zuletzt war dies bei Samuel Schmid der Fall, der im November 2008 von der Affäre Nef gezeichnet und gesundheitlich angeschlagen den Hut nahm.
Schmid hatte schon lange zuvor den Rückhalt in seiner SVP verloren, zusammen mit Eveline Widmer-Schlumpf aber eine neue Heimat in der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) gefunden. Trotz einer Operation hätte er sicher länger durchgehalten, wenn es nicht zum Eklat um den auf seinen Antrag gewählten Armeechef Roland Nef gekommen wäre.
Der letzte erzwungene Rücktritt liegt zwanzig Jahre zurück. Im Januar 1989 trat die Zürcher Freisinnige Elisabeth Kopp unter dem Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung ab, nachdem sie als Justizministerin ihren Ehegatten gewarnt und zum Austritt aus dem Verwaltungsrat einer ins Zwielicht geratenen Firma bewogen hatte.
Unter dem Druck der eigenen Partei
Auch der Neuenburger Sozialdemokrat Pierre Aubert ging Ende 1987 nicht ganz freiwillig. Der damalige Aussenminister gab dem Druck seiner eigenen Partei nach, die mit ihm nicht mehr zufrieden war. Ähnlich erging es 1973 dem Walliser Christlichdemokraten Roger Bonvin, der zwei Jahre länger im Amt blieb, als es den Strategen seiner Partei lieb war.
Dramatischer verlief 1967 der Fall des Waadtländer Freisinnigen Paul Chaudet. Der EMD-Vorsteher war seit der Mirage-Affäre von 1964 politisch schwer angeschlagen. Die FDP empfand ihn deshalb für die Wahlen 1967 als Belastung. Als sie ihn für das Vizepräsidium nicht mehr nominieren wollte, warf Chaudet das Handtuch.
Glücklose Aussenminister
Der als «Anpassungspolitiker» gegenüber den Nazis geltende Waadtländer Pilet-Golaz wurde 1944 nach dem gescheiterten Versuch, die Beziehungen zur Sowjetunion zu normalisieren, von seiner Partei fallengelassen.
Mit solchen Fällen nicht vergleichbar sind freiwillige Rücktritte nach verlorenen Volksabstimmungen. Drei Bundesräte nahmen bisher diesen Notausgang: 1953 Max Weber (SP), 1934 Heinrich Häberlin (FDP) und 1891 Emil Welti (FDP). (sda)