Dreckluft: Tempo 80 in zahlreichen Kantonen
Kampf dem Feinstaub: Am schnellsten war Zug. Bereits kurz vor Mittag wurde Tempo 80 verfügt. Am Nachmittag zogen die andern fünf Kantone der Zentralschweiz nach. Am Abend kamen die Mittellandkantone entlang der A1 dazu.
Rechtlich wirksam wird die Geschwindigkeitsreduktion mit dem Aufstellen der Signale. Damit wurde bereits am Freitag begonnen.
Der zuständige Zuger Sicherheitsdirektor Hanspeter Uster wies darauf hin, dass die Temporeduktion maximal acht Tage in Kraft bleibt. Sollte sich die Luftbelastung verbessern, würde sie aufgehoben. «Wenn wir schon zuständig sind, dann wollen wir unsere Kompetenzen auch wahrnehmen. Bis alle 26 Kantone etwas gemacht haben, bleibt der Feinstaub in der Luft», sagte er zum Alleingang seines Kantons. Er wolle etwas für die Gesundheit der Bevölkerung tun.
Auch die Zentralschweizer Umweltdirektorenkonferenz hat am Freitag in Luzern beschlossen, kurzfristige Temporeduktionen auf generell 80 km/h auf allen Zentralschweizer Strassen vorzubereiten. Der Entscheid wurde allerdings den Kantonen überlassen. Als erster Kanton reagierte am Freitagnachmittag Luzern und verordnete im Rahmen eines gemeinsamen Vorgehens aller sechs Zentralschweizer Kantone ab Freitagabend ebenfalls Tempo 80. Diesem Vorgehen angeschlossen hätten sich bereits auch Uri, Nidwalden, Obwalden und Schwyz, präzisierte der Luzerner Regierungsrat Max Pfister auf Anfrage. Die Zustimmung durch die einzelnen Kantonsregierungen sei nur noch eine Formsache, sagte Pfister. In allen Zentralschweizer Kantonen wurde zudem jegliche Art von offenen Feuern im Freien verboten. Liegenschaften dürften zudem nicht mit Holz beheizt werden, wenn andere Wärmequellen vorhanden sind. Vom Bund verlangten die Zentralschweizer Umweltdirektoren eine sofortige generelle Partikelfilterpflicht für neue dieselbetriebene Strassenfahrzeuge und Offroadfahrzeuge.
Ein praktisch identisches Vorgehen haben am späteren Freitagabend auch der Kanton Bern sowie weitere Mittelandkantone entlang der A1 beschlossen. Nach Auskunft der Berner Regierungsrätin Elisabeth Zölch gehören zu diesem Verbund neben Bern die beiden Basel, Zürich, Aargau und Solothurn. Auf den Autobahnen dieser Kantone gilt die Beschränkung auf Tempo 80 allerdings erst ab dem (morgigen) Samstag.
Die Reaktionen auf die Tempobeschränkung fielen wie erwartet unterschiedlich aus. Vor allem bürgerliche Parteien und Automobilverbände sehen darin kein wirksames Mittel zur Feinstaubbekämpfung. SP und Grüne unterstützten die Massnahme.
Die kantonale Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz bereitet für 2007 ein Konzept gegen die hohe Feinstaubbelastung vor. Ein entsprechender Auftrag wurde den kantonalen Fachleuten erteilt. Das Konzept soll an einer Plenarversammlung vom kommenden 20. April verabschiedet werden. «Wir wollen nächstes Jahr vorbereitet sein», sagte Geschäftsführer George Ganz.
Auf den Einfahrtachsen in Zürich haben Automobilisten am Freitagmorgen 7.500 Gratis-Tageskarten für den öffentlichen Verkehr der Stadt erhalten. Benutzer des öffentlichen Verkehrs wurden mit einem «Schöggeli» belohnt.
Der für den kommenden Sonntag angekündigte Aktionstag «Am Sonntag einfach zahlen und retour fahren» im öffentlichen wird landesweit durchgeführt.
Die Landwirtschaft hat sich am Freitag dagegen verwahrt, zum Sündenbock für die hohe Feinstaubbelastung zu werden. Derzeit stünden die Traktoren still. Der Schweizerische Bauernverband hat nichts gegen die Einführung einer Filterpflicht bei neuen Traktoren. Es sei aber an der Politik, zu handeln.
Die Umweltorganisation Greenpeace prüft Klagen gegen Bund und Kantone wegen der Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub.
Die Feinstaubbelastung lag auch am Freitag vielerorts über dem Grenzwert. An verschiedenen Stationen wurde allerdings ein leichter Rückgang der Belastung festgestellt, so namentlich in Lausanne, wo nach dem Rekord von 223 Mikrogramm am Vortag am Freitagnachmittag im Tagesdurchschnitt noch eine Belastung von 176 Mikrogramm gemessen wurde. In Bern dagegen stieg die Belastung am Freitag im Verlauf des Tages wieder deutlich auf 162 Mikrogramm an. Tiefere Werte gegenüber dem Morgen verzeichneten beispielsweise auch die Messstationen in Zürich und Basel-Binningen. Aber auch dort erreichte die Feinstaubbelastung noch rund das Zwei- bis Dreifache des Grenzwertes.