40 Jahre GaddafiDer «verrückte Hund» feiert seine Revolution
Vor 40 Jahren putschte sich Muammar al-Gaddafi in Libyen an die Macht. Lange war der ebenso brutale wie bizarre Diktator isoliert, doch nun sitzt er fester im Sattel denn je. Dafür sprechen auch die Heimholung des Lockerbie-Attentäters und der Kniefall der Schweiz.
Als amtierender Vorsitzender der Afrikanischen Union sonnt sich der meist in quietschbunte Gewänder oder Uniformen gekleidete libysche Staatschef derzeit in der Rolle des «Königs von Afrika». Am 1. September sollen zudem die Feierlichkeiten zum «40. Jahrestag der Revolution» ihren Höhepunkt erreichen. Gaddafi, Jahrgang 1942, hatte 1969 gemeinsam mit einer Gruppe von Offizieren in einem unblutigen Putsch den betagten König Idris I. entmachtet. Seither steuert der Beduinensohn die Geschicke des Landes.
Viele Beobachter erstaunt es, dass sich Gaddafi so lange an der Spitze halten konnte. Seine zwischen Aggressivität und Scheckbuchdiplomatie schwankende Aussenpolitik und die von ihm eingeführte «direkte Volksdemokratie» haben dafür gesorgt, dass der Lebensstandard vieler Libyer heute gering ist, obwohl das Land über grosse Energievorkommen verfügt.
Doch Kritik am autokratischen Führungsstil von «Bruder Führer» hört man höchstens von einem Dutzend libyscher Oppositioneller, die im Exil leben. Parteien sind in Libyen verboten, hunderte Regimegegner sitzen im Gefängnis, Menschenrechtsorganisationen sprechen von Folter und Verschwundenen. Die Medien werden vom Staat kontrolliert.
Vorliebe für grosse Auftritte
Muammar al-Gaddafi stammt aus einer armen Familie. Gerne erzählt er, dass er in einem Zelt geboren wurde. Noch heute übernachtet der libysche Staatschef auf Auslandsreisen am liebsten in öffentlichen Parks. Allerdings ist das Zelt, in dem er heute sein Haupt bettet, deutlich luxuriöser als das Beduinenzelt seiner Kindheit.
Gaddafi, der Westernstiefel mit hohen Absätzen ebenso schätzt wie bunte Turbane, liebt den grossen Auftritt. Begleiten lässt er sich von einer optisch eindrucksvollen weiblichen Leibgarde. Wenn es ihm bei den Gipfeltreffen der Arabischen Liga zu langweilig wird, verlässt er einfach den Saal. Bei Auslandsbesuchen wie im Juni in Italien lässt er seine Gastgeber stundenlang warten.
Der persönliche Triumph zählt
«In den letzten Jahren erinnert mich Gaddafi immer mehr an einen alternden Rockstar», lästert ein westlicher Diplomat. Die politische Bühne will Gaddafi, der 1999 dem Terror abschwor und 2003 den Verzicht seines Landes auf Massenvernichtungswaffen verkündete, so bald sicher nicht verlassen, auch wenn sein Sohn Seif al-Islam als möglicher Nachfolger bereitsteht.
Obgleich Gaddafi, der von US-Präsident Ronald Reagan einst als «Mad Dog» (verrückter Hund) bezeichnet wurde, inzwischen nicht mehr von der Atombombe träumt und sich nicht mehr so stark in die bewaffneten Konflikte afrikanischer Staaten einmischt wie früher, betreibt er heute noch Politik wie ein stolzer Stammesführer. Zwar macht er gelegentlich taktische Zugeständnisse. Doch was für ihn zählt, ist letztlich der persönliche Triumph.
Das zeigten sowohl der euphorische Empfang, den die Familie Gaddafi dem mutmasslichen Lockerbie-Attentäter bereitete, als auch die genussvolle Art und Weise, in der die libyschen Staatsmedien über die Entschuldigung aus Bern berichten, die von Schweizer Medien als «Kniefall vor dem Wüsten-Diktator» bezeichnet wurde. (pbl/sda)