«Iranischer Putsch»Die Rückkehr des Hasspredigers
Der radikale Schiitenführer Muktada al Sadr ist wieder im Irak. Nach Jahren im iranischen Exil will er offenbar wieder direkt auf die Geschicke in seiner Heimat Einfluss nehmen.

Muktada al-Sadrs erste Station nach seiner Rückkehr am Mittwoch war der Imam-Ali-Schrein in der heiligen Stadt Nadschaf.
Etwas ergraut und ohne offizielle Ankündigung ist der 37-Jährige am Mittwoch in der südirakischen Stadt Nadschaf eingetroffen, wo er unter dem Jubel hunderter Anhänger den Schrein des Imam Ali und das Grab seines Vaters besuchte. Al Sadr war 2007 in den Iran geflohen, nachdem ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war. Seine Mahdi-Miliz war am Aufstand gegen die US-Truppen sowie in den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen 2006 bis 2007 in einer zentralen Rolle beteiligt.
Sadr hatte geschworen, solange nicht in den Irak zurückzukehren, bis alle US-Truppen das Land verlassen haben. Heute verbleiben noch rund 45 000 Mann, von denen nur wenige eigentlichen Kampfeinheiten angehören und die zudem der irakischen Zentralregierung unterstehen. Die erodierende Machtposition der USA, das gute Abschneiden seiner Partei bei den Parlamentswahlen 2010 und ihr Eintritt in die regierende Koalition scheinen Sadr zur frühzeitigen Rückkehr bewegt zu haben.
«Ohne ihn hätte Irak keine Regierung und Maliki wäre nicht Premierminister», kommentierte der Chefredaktor der Zeitung «Al-Quds Al-Arabi», Abdel Bari Atwan, gegenüber «Al Jazeera». Offenbar ist Sadr zur Überzeugung gelangt, dass er seine vorteilhafte Position im irakischen Machtgefüge vor Ort effektiver ausspielen kann als im Exil.
Kabinettsbildung in entscheidender Phase
Was der schiitische Hitzkopf in den Jahren des iranischen Exils genau gemacht hat, ist unklar. Laut eigenen Angaben setzte er in der heiligen Stadt Qom seine Studien fort. Beobachter gehen allgemein davon aus, dass seine Rückkehr den iranischen Einfluss auf die Geschicke Iraks weiter konsolidieren wird. Der britische «Guardian» spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem «erneuten iranischen Putsch im Irak». Die iranische Regierung hatte im September 2010 eine Aussöhnung zwischen Premierminister Maliki und Sadr vermittelt und so die Bildung einer mehrheitsfähigen Koaltion ermöglicht.
Der irakische Journalist Ahmed Rushdie äusserte gegenüber «Al Jazeera» eine weitere Vermutung über das Timing für Sadrs Rückkehr. Momentan werden sicherheitsrelevante Posten im Kabinett Malikis besetzt, und Sadr will hier offenbar ein gewichtiges Wort mitreden. In Bagdad herrscht diesbezüglich eine gewisse Nervosität. Dass sich die USA weiter zurücknehmen, wird zwar allgemein begrüsst, doch ob die irakischen Sicherheitskräfte tatsächlich in der Lage sein werden, die staatliche Ordnung aufrechtzuerhalten, ist nach wie vor ungewiss.
Auch die Aussöhnung zwischen Sadr und Maliki erachtet Rushdie als «fragil» und «ohne konkrete Grundlage». Bisher habe der Premierminister auch keine konkreten Zugeständnisse an seinen Bündnispartner gemacht. So bleibt unklar, wie viel Gewicht Sadr in der Regierung tatsächlich haben wird, speziell in Sicherheitsbelangen.