Das Urteil ergeht um 9 Uhr

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Kachelmann-ProzessDas Urteil ergeht um 9 Uhr

Heute fällt nach 44 Verhandlungstagen das Urteil in einem der spektakulärsten Prozesse der jüngeren Vergangenheit. Dem Wettermoderator Jörg Kachelmann drohen 51 Monate Haft.

Einer der spektakulärsten Prozesse der letzten Jahre geht zu Ende: Nach 43 Verhandlungstagen will das Landgericht Mannheim um 9.00 Uhr sein Urteil im Vergewaltigungs-Prozess gegen den Schweizer Wettermoderator Jörg Kachelmann verkünden.

Die Staatsanwaltschaft hat vier Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe wegen schwerer Vergewaltigung und Körperverletzung beantragt. Die Verteidiger Kachelmanns plädierten auf Freispruch. Drei Berufsrichter und zwei Schöffen müssen nun entscheiden.

Nur wenn vier der fünf von der Schuld des Schweizers überzeugt sind, kann er verurteilt werden, denn die Strafprozessordnung schreibt eine Zweidrittel-Mehrheit vor. Wird die nicht erreicht, ist der Angeklagte freizusprechen.

Aussage gegen Aussage

Rund neun Monate dauerte der umstrittene Indizienprozess. Trotz akribischer Beweisaufnahme und zahlreichen Gutachten steht Aussage gegen Aussage. Eindeutige Beweise gibt es nicht, und alle Indizien sind umstritten.

Die Ex-Freundin wirft Kachelmann vor, sie in der Nacht zum 9. Februar 2010 in ihrer Wohnung mit einem Messer bedroht und vergewaltigt zu haben. Zuvor habe es einen Beziehungsstreit wegen seiner Untreue gegeben.

Kachelmann bestreitet die Vorwürfe. In dieser Nacht habe es einvernehmlichen Sex gegeben. Erst danach sei es zum Streit gekommen und er habe seine Parallelbeziehungen eingeräumt. Sie hätten sich dann einvernehmlich getrennt.

Verletzungen an Hals und Oberschenkeln

Als die heute 38-jährige Radiomoderatorin Kachelmann am Morgen anzeigte, hatte sie Verletzungen am Hals und schwere Blutergüsse an den Oberschenkeln. Auf dem Boden vor ihrem Bett wurde ein Küchenmesser sichergestellt.

Für die Anklage sind das objektive Indizien, die ihre Aussage bestätigen. Die Verteidigung geht dagegen von Selbstverletzungen aus. Das Messer habe keine eindeutigen Spuren. Es gebe keinen Beweis dafür, dass Kachelmann das Messer überhaupt in der Hand hatte.

Zweifel an Glaubwürdigkeit

Die Glaubhaftigkeit der Ex-Freundin, die elf Jahre mit Kachelmann liiert war und mit ihm in sein Haus im Schwarzwald ziehen wollte, ist ebenfalls hoch umstritten.

Nach ihrer Anzeige wurde ermittelt, dass sie seit Monaten Flugtickets mit dem Namen Kachelmann und dem einer anderen Frau besass. Sie hatte in der fraglichen Nacht jedoch vor dem Wettermoderator behauptet, die Flugtickets seien ihr gerade erst anonym in den Briefkasten gesteckt worden. Ausserdem habe das Schreiben mit dem Satz «Er schläft mit ihr» beigelegen.

Die Flugtickets hatte sie nachweislich früher. Sie hatte auch unter falschem Namen Kontakt zu der Nebenbuhlerin aufgenommen. Den Satz «Er schläft mit ihr» hatte sie selbst geschrieben, weil sie Kachelmann ihre Nachforschungen verschweigen wollte.

Aber auch bei der Polizei blieb sie bei der falschen Vorgeschichte. Erst als ihre E-Mail-Kontakte zu der Nebenbuhlerin ermittelt wurden, gestand sie zwei Monate später ihre Lügen ein.

Erinnerungslücke oder Lügenkonstrukt?

Für die Verteidigung ist das ein Beleg dafür, dass auch die Vergewaltigungsbezichtigung nicht stimmt. Die Staatsanwaltschaft argumentiert dagegen, die Lüge im Randbereich breche «nicht den Stab über sie». Das Tatgeschehen habe sie immer konstant geschildert.

Allerdings gibt es auch hier Lücken. Während sie den Streit mit vielen Details schilderte, wurde ihre Aussage zur Vergewaltigung selbst als mangelhaft bewertet.

Die Öffentlichkeit war bei ihrer mehr als 20-stündigen Vernehmung vor Gericht allerdings ausgeschlossen. Ob die Erinnerungslücken mit der Todesangst erklärt werden können oder die bewusste Falschbeschuldigung der Ex-Freundin belegen, war unter den Gutachtern umstritten. (sda)

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