Vor dem Fall GaddafisDer Westen fürchtet Katars lange Hand
Gaddafi ist gestürzt, seine letzten Hochburgen sollen bald fallen – jetzt macht sich die Angst breit, Katar könne bald für politische Instabilität sorgen.

Katars Sheikh Hamad bin Khalifa al Thani spricht am 1. September anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz der «Neuen Libyen-Konferenz».
Der Nato-Einsatz scheint bald zu Ende zu sein, die Truppen des Nationalen Übergangsrats setzen zum finalen Angriff auf die belagerten Städte Bani Walid und Sirte an, da erklingen bereits die ersten Stimmen darüber, wie es nachher mit Libyen weitergehen soll. Unter westlichen Diplomaten wächst die Sorge, Katar könnte eine zu grosse Rolle im Libyen nach Gaddafi übernehmen.
Das kleine arabische Emirat hatte sich bereits früh als Unterstützer der libyschen Revolution hervorgetan. Das Land hatte als erster arabischer Staat eigene Kampfflugzeuge bereitgestellt, um eine Flugverbotszone durchzusetzen und die libyschen Revolutionäre mit Waffen beliefert. Doch jetzt werfen westliche Diplomaten Katar vor, in Libyens innere Angelegenheiten einzugreifen und dessen Souveränität zu gefährden, schreibt die britische Zeitung «The Guardian».
Gefahr für politische Stabilität
Westliche Vertreter äusserten sich besorgt, dass Katar eine eigene Nachkriegs-Agenda in Libyen durchsetzen wolle – dies auf Kosten breiter Bemühungen, politische Stabilität ins Land zu bringen. Ein hochrangiger Diplomat sagte gegenüber der Zeitung: «Es stellt sich die Frage, was ausländische Akteure jetzt in Libyen tun und ob dies für Libyens Souveränität hilfreich und respektvoll ist. Katar ist nicht respektvoll und weckt den Eindruck, die Souveränität des Landes mit Füssen zu treten.»
Laut «Guardian» werde befürchtet, Katar wolle möglicherweise die international ausgehandelte Strategie, dem libyschen Übergangsrat so weit als nötig beizustehen, umgehen und stattdessen bestimmte Individuen und Interessengruppen unterstützen. Dies würde zur politischen Instabilität beitragen. Eine weitere diplomatische Quelle sagte: «Das ist ein Thema, das während einigen Wochen Dampf gemacht hat.» Alle ausländischen Mächte – darunter die USA, Grossbritannien und Frankreich – haben ihre eigenen Interessen in Libyen, doch Katar handle bereits gezielt: «Wir haben den Eindruck dass Katar schon jetzt Geld zur Verfügung stellt, um bestimmte Personen zu unterstützen.»
Gegner des Nationalen Übergangsrats unterstützt
Katar wird beschuldigt, statt des Nationalen Übergangsrats, bestimmte Schlüsselfiguren mit finanziellen und anderen Ressourcen zu unterstützen. Prominenteste Figur ist laut «Guardian» der islamistische Kopf des Militärrats von Tripolis, Abdul-Aziz Belhaj. Ausserdem soll Katar einen der grössten Gegner von Übergangs-Premierministers Mahmoud Jibril unterstützen. Es ist Sheikh Ali Salabi. Dieser ist ein libyscher Kleriker, der in Doha lebt und mit Abdul-Aziz Belhaj befreundet ist. Im Fernsehen hatte Salabi Jibril als «wartenden Tyrannen» bezeichnet.
Katar hatte bislang eine vorsichtige aber aktive Aussenpolitik ausgeübt. Der Fokus lag auf Verhandlungen und Vermittlungen. Seit dem Arabischen Frühling hat das Land in der Region eine aggressivere Rolle übernommen – am deutlichsten ist dies in Libyen sichtbar. Neben Waffenlieferungen half der Staat den Rebellen offenbar auch, Öl zu verkaufen. In Medienberichten wurde schon darüber gerätselt, ob Spezialkräfte aus Katar die Rebellen in den Nafusa-Bergen trainiert haben.
Finaler Angriff auf Sirte
Zurzeit gefährden aber vor allem noch die heftigen Kämpfe in und um Sirte oder Bani Walid die Stabilität in Libyen. Zivilisten befinden sich in einer prekären Situation, sind verängstigt, krank und hungrig. Bis Donnerstag hatte ihnen der Nationale Übergangsrat Zeit gegeben, die Stadt zu verlassen – dann soll die Stadt endgültig eingenommen werden. Hierbei soll die Nato offenbar noch einmal unterstützen. Allzu lange wird der Einsatz aber kaum mehr dauern. Die Kosten sind hoch, ausserdem habe man den Auftrag erledigt. Es gehe um den Schutz der Zivilbevölkerung, sagt Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen: «Wenn keine Gefahr für die zivile Bevölkerung besteht, wird die Zeit gekommen sein, unsere Operation zu beenden.»