50 verkohlte Leichen entdeckt

Aktualisiert

Geräumte Kaserne50 verkohlte Leichen entdeckt

Schrecklicher Fund nahe Tripolis: Anwohner haben mindestens 50 verkohlte Leichen in einer von Gaddafi-treuen Soldaten geräumten Militärbasis gefunden. Es soll sich um Opfer eines Massakers handelt.

Weiterhin keine Spur des ehemaligen libyschen Diktators Muammar Gaddafi. Nach neueste Meldungen könnte es sein, dass er bereits in Algerien ist.

Weiterhin keine Spur des ehemaligen libyschen Diktators Muammar Gaddafi. Nach neueste Meldungen könnte es sein, dass er bereits in Algerien ist.

Im Gefängnis einer von Gaddafi-Truppen geräumten Kaserne südlich von Tripolis sind die verkohlten Leichen von mindestens 50 Menschen entdeckt worden.

Nach der Einnahme der Militärbasis durch die Rebellen fanden Anwohner die Toten in dem improvisierten Gefängnis. Einer von ihnen, der Arzt Salim Radschub, vermutete am Samstag, dass es sich um die Opfer eines vor wenigen Tagen verübten Massakers handelt.

In der Militärbasis waren zuvor Elitetruppen der 32. Brigade untergebracht, die von Chamis, einem der Söhne des untergetauchten Machthabers Muammar al-Gaddafi, befehligt wurde.

Er und andere Anwohner hätten am späten Dienstagabend Hilfeschreie und dann Schüsse sowie Explosionen von Granaten gehört, berichtete Radschub weiter. Wegen der Heckenschützen habe aber niemand helfen können. Die Einwohner berichteten von 53 Leichen. Nach NATO-Luftangriffen hatten die Rebellen die Militärbasis der 32. Brigade am Samstag eingenommen.

Ist Gaddafi bereits in Algerien?

Ein Konvoi gepanzerter Fahrzeuge hat Spekulationen über eine Flucht von Libyens Machthaber Muammar al- Gaddafi nach Algerien ausgelöst. Sechs gepanzerte Fahrzeuge hätten am Freitagmorgen von Libyen aus die Grenzstadt Ghadames auf dem Weg nach Algerien durchquert.

Das berichtete die ägyptische Nachrichtenagentur Mena am Samstag unter Berufung auf libysche Militärkreise. Die Fahrzeugkolonne sei von Gaddafi-treuen Soldaten bis zum Übergang in das Nachbarland eskortiert worden.

Die Aufständischen hätten den Konvoi wegen mangelnder Munition und Ausrüstung nicht stoppen können. «Wir denken, sie (die Wagen) transportierten hochrangige libysche Offizielle, vielleicht Gaddafi und seine Söhne», fügte die Quelle laut Mena hinzu.

Die Regierung in Algier wies die Berichte «kategorisch» zurück. «Diese Information entbehrt jeglicher Grundlage,» sagte der Sprecher des algerischen Aussenministeriums, Amar Belani, am Samstag der Nachrichtenagentur APS.

Gaddafi ist untergetaucht, seit die libyschen Rebellen Ende vergangener Woche in die Hauptstadt Tripolis vorgerückt waren.

Algerien weigert sich, den nationalen Übergangsrat der libyschen Rebellen anzuerkennen. Laut einer Stellungnahme des Aussenministeriums vom Freitag fühlt sich die Regierung in Algier in der Frage einer «strikten Neutralität» verpflichtet.

Rebellen melden volle Eroberung von Tripolis

Die libyschen Rebellen haben eigenen Angaben zufolge am Samstag einen nahe des Flughafens gelegenen Vorort von Tripolis eingenommen und damit die gesamte Hauptstadt von Gaddafi-Kämpfern befreit. Bewohner des etwa 20 Kilometer südlich der Innenstadt gelegenen Kasr bin Ghaschir feierten die Ankunft der Aufständischen demnach mit Schüssen in die Luft.

Andere hätten Porträts des untergetauchten Machthabers Muammar Gaddafi demonstrativ mit Füssen getreten. Der 45-jährige Rebellenkommandeur Omar al Ghusayl erklärte, seinen Kämpfern sei es damit gelungen, die Unterstützer Gaddafis «vollständig aus Tripolis heraus» zu drängen.

Angriff auf Sirte

Nach den jüngsten Erfolgen der Rebellen in Tripolis hat die NATO ihre Luftangriffe in Libyen auf die Küstenstadt Sirte konzentriert, eine Hochburg von Machthaber Muammar al Gaddafi.

Dabei seien 15 Militärfahrzeuge und weitere Ziele beschossen worden, teilte das Verteidigungsbündnis am Samstag in Brüssel mit. Elf mit Waffen beladene Fahrzeuge sowie drei militärische Logistikfahrzeuge und ein gepanzertes Kampffahrzeug seien am Freitag zerstört worden.

Auch zwei Militärunterkünfte, ein Beobachtungspunkt von Gaddafis Armee und eine weitere Militäranlage in der Umgebung von Gaddafis Heimatstadt Sirte 360 Kilometer östlich von Tripolis wurden der NATO zufolge getroffen. Ein NATO-Vertreter sagte, Sirte stehe im Mittelpunkt der Einsätze, weil die Stadt eine der letzten Orte unter Gaddafis Kontrolle sei.

Auch die libyschen Aufständischen bereiteten eine Offensive in Sirte vor. Die NATO beschoss am Freitag nach eigenen Angaben auch Ziele in der Nähe von Tripolis, darunter ein Militärlager und eine Raketenabschussanlage. Weitere Luftangriffe hätten sich gegen militärische Ziele in der Nähe von Ras Lanuf, Al-Assah, Okba und al- Asisijah gerichtet.

In Tripolis herrschte am Samstag Ruhe. In der Nacht waren vereinzelt Explosionen und Schusswechsel zu hören gewesen. Ein Anführer der Rebellen räumte ein, dass er und seine Leute nicht wüssten, wo sich Gaddafis letzte kleine Kampfgruppen aufhielten.

Der Leiter des Militäreinsatzes der Rebellen in Tripolis, Abdel Nadschib Mlegta, hatte am Freitagabend erklärt, dass die Aufständischen 95 Prozent der Hauptstadt kontrollierten. Gaddafi- treue Kämpfer gebe es noch im Viertel Abu Slim.

Grenzposten erobert

Die libyschen Rebellen haben am Freitag den umkämpften Kontrollposten Ras Dschedir an der Grenze zu Tunesien eingenommen. Nach Angaben aus tunesischen Regierungskreisen wehte am Abend die Flagge der Rebellion über dem Kontrollposten.

Der Einnahme seien unmittelbar keine Kämpfe vorausgegangen. Ein Vertreter des Nationalen Übergangsrates der libyschen Rebellen sagte dem tunesischen Fernsehen, die Kämpfer von Machthaber Muammar al- Gaddafi hätten sich ergeben.

Ein Vertreter einer Hilfsorganisation vor Ort bestätigte die Einnahme des Grenzpostens, der für die mit Sanktionen belegte libysche Regierung Gaddafis strategisch wichtig ist. Über den Grenzübergang waren in der vergangenen Monaten tausende Menschen nach Tunesien geflohen.

Ban Ki Moon besorgt

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sieht enorme Herausforderungen in Libyen. Die Krise habe eine neue und entscheidende Phase erreicht, sagte er.

Ban sagte nach einer Videokonferenz mit Vertretern der EU, der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz laut Angaben der Vereinten Nationen vom Freitag in New York, alle seien sich einig, dass ein reibungsloser Übergang wichtig sei. Es sei dringend erforderlich, den Konflikt zu beenden sowie Ordnung und Stabilität wiederherzustellen.

Alle seien sich einig gewesen, dass sie bereit sein müssten, auf Anfrage der libyschen Regierung beim Aufbau von Polizeikapazitäten zu helfen, hiess es in der UNO-Mitteilung weiter. Es dürfte nicht vergessen werden, dass das Land von Handfeuerwaffen überflutet werde.

Die Teilnehmer hätten darin überein gestimmt, dass die internationale Gemeinschaft ein effektives und gut koordiniertes Aktionsprogramm brauche. Einigkeit habe auch darüber bestanden, dass von den Vereinten Nationen eine entscheidende Koordinierungsrolle erwartet werde.

Gaddafi-Truppen geben nicht auf

Der Kampf um die Herrschaft in Libyen ist noch nicht zu Ende: Auch nach dem Umzug der Übergangsregierung der Aufständischen in die Hauptstadt Tripolis leisten die Anhänger des untergetauchten Diktators Muammar Gaddafi weiter erbitterten Widerstand.

Der Chef der libyschen Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, erklärte, die Aufständischen hätten inzwischen fast im ganzen Land die Oberhand. Nur Sirte, die Heimatstadt von Gaddafi, Sebha und das südöstlich von Tripolis gelegene Bani Walid seien nicht unter Kontrolle von Rebellenkämpfern, sagte er bei einem Besuch in Ankara.

Ein Kommandeur der Rebellen berichtete gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass es in der Umgebumg von Salah al-Din und Abu Salim nur noch weniger Widerstand seitens der Gaddafi-Getreuen gebe. Er sei zuversichtlich, dass Gaddafi innerhalb der nächsten 72 Stunden gefasst werde. Man habe Gaddafi umzingelt. Die Aufständischen sind sich laut Rebellen-Justizminister sicher, dass sie den Aufenthaltsort von Gaddafi in Tripolis ausgemacht haben.

Britische Kampfjets griffen Bunker an

Doch auch das Gebiet um den Flughafen von Tripolis war am Freitag noch heftig umkämpft. Kampfflugzeuge der NATO unterstützten die Rebellen um Sirte und griffen nach Angaben der Allianz 29 gepanzerte Fahrzeuge der Gaddafi-Truppen in der Nähe der Stadt an. Britische Kampfjets nahmen zudem einen Bunker ins Visier, der den Gaddafi- Truppen als Kommando- und Kontrollzentrale diente.

Die Aufständischen riefen die Einwohner von Sirte dazu auf, die Stadt kampflos zu übergeben. Im Gegenzug sollten nur aus Sirte stammende Kämpfer in die Küstenstadt einrücken, hiess es.

Spezialeinheiten suchen Gaddafi

Von Muammar al-Gaddafi fehlt weiterhin jede Spur. Sondereinheiten der Rebellen durchkämmten am Freitag verschiedene Viertel der Hauptstadt nach dem Diktator und seinen Söhnen.

Seine Feinde gehen davon aus, dass sich der langjährige Machthaber weiter in Tripolis aufhält. Dennoch fürchten sie, dass es ihm gelingen könnte, die Stadt durch das umfangreiche Netz unterirdischer Gänge und Bunker zu verlassen.

Folter und Exekutionen

Menschenrechtsorganisationen und ausländische Reporter berichteten unterdessen von Gräueltaten auf beiden Seiten. Aus den Kampfgebieten häufen sich Berichte über Folter und Exekutionen von Gefangenen. Fernsehsender zeigten Bilder von Leichen mit auf dem Rücken gefesselten Händen.

Während der Gefechte in Tripolis starben mindestens 80 Patienten eines Spitals in einem umkämpften Viertel wegen fehlender Versorgung. Ärzte berichteten, Heckenschützen der Gaddafi-Truppen hätten bis Donnerstag jeden auf Distanz gehalten, der sich dem Spital im Viertel Abu Slim nähern wollte.

Die medizinische Versorgung ist auch in anderen Vierteln der Hauptstadt durch die Kämpfe erschwert. In mehreren Spitälern fehlt es laut der Hilfsorganisationen Médecins sans Frontières (MSF) an lebensrettenden Medikamenten und medizinischem Material für die Hunderten von Kriegsverletzten.

Rebellen wollen Zugang zu Gaddafi-Geldern

Der Nationale Übergangsrat der Rebellen, der am Vortag seinen Hauptsitz von Bengasi nach Libyen verlegt hatte, rief am Freitag erneut zur sofortigen Freigabe eingefrorener Vermögenswerte auf. Andernfalls drohe eine Legitimitätskrise, sagte Rebellenführer Dschibril.

Auf Druck der USA hatten die Vereinten Nationen die Freigabe von 1,5 Milliarden Dollar aus eingefrorenen Auslandsvermögen beschlossen. Mit dem Geld soll vor allem eine humanitäre Krise in Libyen verhindert werden.

Für die Freigabe weiterer Gelder gibt es aber noch kein Datum. Es werde geprüft, wie sichergestellt werden könne, dass das Geld dem Übergangsrat und nicht den Unterstützern Gaddafis zu Gute komme, hiess es bei der EU.

AU anerkennt Übergangsrat nicht

Die Afrikanische Union (AU) wird den Nationalen Übergangsrat nach Angaben des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma vorerst nicht als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkennen. «Die Kämpfe dauern noch an. Das ist die Realität», sagte Zuma, der den Ausschuss der AU für Libyen leitet, am Freitag am Rande einer Konferenz der Organisation zur Lage in Libyen. «Wir können nicht sagen, dass es eine legitime Regierung gibt.»

Zuvor hatte der libysche Rebellenführer Mahmud Dschibril die AU um die Anerkennung des Übergangsrats gebeten. Auch die Vereinten Nationen riefen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs auf, «die neue Führung Libyens zu unterstützten».

(sda/dapd)

Amnesty International wirft beiden Seiten im Krieg in Libyen Gräueltaten vor. Die Organisation berichtete am Freitag von Folter und der Exekution von Gefangenen.

Tausende Menschen, darunter unbewaffnete Zivilisten, seien während des Konflikts in Händen der Gaddafi-Anhänger verschwunden. Insassen in dem berüchtigten Gefängnis Abu Salim in Tripolis hätten über Vergewaltigung und Folter zu Zeiten berichtet, als die Haftanstalt noch vom Gaddafi-Regime kontrolliert worden sei, erklärte Amnesty International am Freitag.

Trotz der wiederholten Versprechen der Aufständischen, die Menschenrechtsverletzungen des Gaddafi-Regimes nicht zu wiederholen, habe eine Delegation von Amnesty in Al-Sawija 125 Menschen in einer völlig überfüllten Zelle angetroffen.

Die Gefangenen hätten keinen Platz gehabt, sich zu bewegen oder sich hinzulegen. Einige Gefangene berichteten, sie seien keine Söldner Gaddafis, sondern Wanderarbeiter.

Aus den Kampfgebieten in Tripolis mehreren sich Berichte über die Exekution von Gefangenen. Etwa zwei Dutzend Leichen, einige an den Händen gefesselt und mit Schussverletzungen am Kopf, lagen am Freitag verstreut auf einer Grasfläche, wo Gaddafi-Anhänger über Monate hinweg kampiert hatten.

Auch in einem verlassenen Spital im zuletzt heftig umkämpften Stadtteil Abu Salim Tripolis wurden Dutzende Leichen entdeckt. Das viergeschossige Gebäude stand am Freitagmorgen komplett leer, der Boden war mit Glasscherben übersät. In einem Raum des Spitals befanden sich 21 Leichen. Im Hof des Spitals lagen 20 abgedeckte Leichen. Über die Identität der Toten war nichts bekannt.

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