Schweizer Gaza-Aktivist«Das Schlimmste ist die Ohnmacht»
Die letzten Aktivisten der «Solidaritätsflotte» für Gaza sind inzwischen aus Israel heimgekehrt. Unter ihnen befindet sich auch ein Schweizer.
«Wir wurden wie Tiere behandelt», macht Nikola Kosmatopoulos, der an der Universität Zürich zum Nahost-Konflikt forscht, seiner Verärgerung Luft. Kosmatopoulos befindet sich in Athen, im Hintergrund werden Parolen gesungen. Eine Demonstration von rund 3000 pro- palästinensischen Aktivisten sei im Gang, erklärt der gebürtige Grieche am Telefon.
Der 34-jährige Ethnologe, der seine Doktorarbeit an der Universität Zürich über Friedensaktivisten im Nahen Osten schreibt, schildert seine Version des Militärangriffs auf den Hilfskonvoi: Die israelischen Streitkräfte hätten mit Leitern das Schiff erklommen und dieses in ihre Gewalt gebracht. Den rund 30 griechischen und schwedischen Aktivisten, Parlamentariern und Schriftstellern wurden Handschellen angelegt und ihre Pässe abgenommen.
«Wir haben keinen Widerstand geleistet, ausser, dass wir den Soldaten immer wieder zugerufen haben, dass sie gegen die Genfer Konventionen verstossen, indem sie eine humanitäre Mission angreifen», erzählt Kosmatopoulos. Die Militärs hätten Kameras dabeigehabt, mit denen sie die ganze Aktion gefilmt hätten. «Das Ganze war nicht nur eine militärische, sondern auch eine Propaganda- Aktion.»
Während der zehnstündigen Überfahrt nach Israel wurden die Aktivisten gemäss Kosmatopoulos' Schilderung in einem Raum unter Deck zusammengepfercht, während die Soldaten in ihren Betten geschlafen und ihren Kühlschrank geplündert hätten. «Selbst Verletzte unter uns haben sie wie Tiere gezwungen, auf dem Boden zu schlafen.»
Selten unüberwacht
In Israel angekommen wurde Kosmatopoulos wie die übrigen Aktivisten in Haft gesteckt und wiederholt verhört. «Das Schlimmste dabei ist die Ohnmacht», erzählt er: «Dass man als einzelnes Individuum nichts gegen diesen Gewaltapparat ausrichten kann.»
Er selbst habe zwar keine körperliche Gewalt erlebt, aber einer seiner Freunde sei zusammengeschlagen worden und habe Knochenbrüche erlitten, nachdem er sich geweigert habe, seinen Fingerabdruck abzugeben. Auch zu ihm hätten sie gesagt: «Entweder du kooperierst, oder wir holen uns deine biometrischen Daten mit Gewalt.»
Die Aussage Israels, die Aktivisten seien gewalttätig gewesen, sei ein Lüge: «Wie hätten wir uns auch wehren können? Ständig standen 20 bewaffnete Polizisten um jeden einzelnen von uns herum.» Sie hätten sich selten unüberwacht miteinander unterhalten können.
Positive Wirkung trotz allem
Nach drei Tagen in Militärgewahrsam konnte Kosmatopoulos schliesslich mit den anderen griechischen Aktivisten nach Athen ausreisen. Sein Pass wurde ihm erst wenige Minuten vor dem Abflug zurückgegeben.
All sein übriges Gepäck, darunter ein Notizbuch mit Aufzeichnungen, sei nach wie vor in israelischem Gewahrsam. «Ich bin nur mit einem T-Shirt, einer Jeans und meinem Pass nach Griechenland zurückgekehrt.»
Ursprünglich wollte Kosmatopoulos über die Gaza-Hilfsaktion einen wissenschaftlichen Bericht verfassen. In seinem Notizbuch hat er Interviews, Beobachtungen und Fakten aufgezeichnet. Doch all dieses Material befinde sich jetzt in israelischen Händen.
Der Frust in Kosmatopoulos' Stimme ist unüberhörbar. Dass er den Israeli unfreiwillig wissenschaftliche Daten zugespielt hat, macht ihn besonders wütend. «Das ist unverschämt.»
Der Ethnologe ist überzeugt, dass die Aktion trotz allem eine positive Wirkung erzielt hat: «Die israelische Regierung hat damit der ganzen Welt gezeigt, wie sie mit den Palästinensern umgeht», sagt Kosmatopoulos. «Was sie mit uns während drei Tagen gemacht haben, erlebt die Bevölkerung der besetzten Gebiete seit über sechzig Jahren.»