Krieg geht in dritte WocheBesetzung des Gazastreifens bereits geplant?
Der Konflikt eskaliert weiter. Die israelische Luftwaffe hat den Bewohnern des Gazastreifens per Flugblatt eine «neue Phase» im Kampf gegen die Hamas angekündigt. Aus Militärkreisen ist zu hören, dass die vollständige Wiederbesetzung des Gazastreifens bereits geplant sei.
In den abgeworfenen Flugblättern forderte die israelische Luftwaffe die Bevölkerung aufgerufen auf, zu ihrer eigenen Sicherheit den israelischen Anordnungen zu folgen. Insbesondere wurden die Menschen vor einer Unterstützung der Hamas gewarnt und aufgefordert, sich von der radikalislamischen Organisation fernzuhalten. Israel kämpfe nicht gegen die palästinensische Zivilbevölkerung, sondern nur gegen die Hamas und Terroristen, hiess es in den in Arabisch verfassten Flugblättern, die als «allgemeine Warnung» bezeichnet wurden.
Aus Militärkreisen verlautete, die Streitkräfte seien auf eine dritte Stufe der Offensive vorbereitet, bei der die Bodentruppen noch weiter in das Autonomiegebiet vorstossen würden. Man warte nur noch auf die Zustimmung der Regierung. Den Gewährsleuten zufolge haben die Streitkräfte auch schon eine vierte Stufe geplant, die die vollständige Wiederbesetzung des Gazastreifens und den Sturz der dort regierenden Hamas vorsieht.
Israel weist Berichte über tödlichen Panzerangriff zurück
Ungeachtet der Forderung des Weltsicherheitsrates nach einer sofortigen Waffenruhe setzten Israel und die Hamas ihre Angriffe fort. Israelische Kampfjets griffen nach Militärangaben am Samstagmorgen mutmassliche Extremisten sowie Abschussrampen für Raketen, Waffenlager und Tunnels an. 15 Militante seien bei Kämpfen getötet worden.
Bei einem israelischen Panzerangriff in Dschebalja sollen nach palästinensischen Angaben neun Zivilpersonen getötet worden sein, darunter zwei Kinder und zwei Frauen. Das Geschoss schlug demnach vor einem Haus ein, wo die Familie im Garten sass. Die israelischen Streitkräfte wiesen die Darstellung zurück. In dieser Gegend hätten die Truppen am Samstag keine Ziele angegriffen.
Auch der Raketenbeschuss Südisraels ging weiter. Am Samstag schlugen wieder mindestens 15 Raketen aus dem Gazastreifen ein. In Aschkelon wurde dabei ein Haus stark beschädigt, zwei Menschen wurden leicht verletzt.
Seit Beginn der israelischen Offensive am 27. Dezember kamen nach palästinensischen Angaben schon mehr als 800 Menschen im Gazastreifen ums Leben. Auf israelischer Seite gab es 13 Tote.
Um Rettungskräften und Hilfsorganisationen Gelegenheit zur Versorgung der Bevölkerung zu geben, unterbrach Israel am Samstag erneut seine Angriffe für drei Stunden. Helfer beklagten allerdings, dass diese Zeit viel zu gering sei.
Steinmeier fordert Plan für Waffenstillstand
Bundesaussenminister Steinmeier forderte in Kairo einen Arbeitsplan für einen dauerhaften Waffenstillstand. Nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak sagte er zu Beginn seiner bis Sonntag dauernden Nahost-Mission, die jüngste UN-Resolution sei ein «wichtiger Schritt auf dem Weg, die Waffen zum Schweigen zu bringen». Er bot zugleich Ägypten Hilfe bei der Überwachung der Grenze zum Gazastreifen an. Auf dem Programm standen auch Gespräche mit der israelischen Regierung.
Ägypten bemüht sich weiter um Vermittlung zwischen Israel und der Hamas. Militante Gruppierungen der Palästinenser in Syrien einschliesslich der Hamas lehnten indes die Stationierung internationaler Beobachter oder Soldaten im Gazastreifen ab. In einer Erklärung bekräftigten sie ihr Recht auf Widerstand gegen die israelische Besatzung. Ferner forderten sie ein sofortiges Ende der israelischen Angriffe, einen vollständigen Abzug der israelischen Truppen und die Öffnung aller Grenzübergänge.
(sda)
Uneinigkeit über Opferzahlen
Die israelische Armee hat bei ihrer Offensive im Gazastreifen nach eigenen Angaben mindestens 550 Hamas-Kämpfer getötet. Rund 250 Kämpfer seien in der ersten Woche bei Luftangriffe gestorben, sagte ein hochrangiger israelischer Militärangehöriger am Samstag in Jerusalem. Während der zweiten Phase, der Bodenoffensive, seien mindestens 300 Kämpfer der radikalislamischen Organisation getötet worden.
Die palästinensischen Rettungskräfte sehen das etwas anders: Seit Beginn des israelischen Militäreinsatzes «Gegossenes Blei» vor zwei Wochen seien 854 Palästinenser getötet worden. Unter den Toten seien 270 Kinder und 93 Frauen, sagte der Chef der Rettungskräfte, Muawija Hassanein, in Gaza. 3490 Menschen seien verletzt worden.
Hamas-Chef Chaled Maschaal sprach von einem «Holocaust». Das Blut palästinensischer Kinder werde vergossen, um die Aussichten der israelischen Führung bei den Wahlen im kommenden Monat zu verbessern, sagte der im syrischen Exil lebende Maschaal in einer Fernsehaufzeichnung für die Sender El Dschasira und El Arabija.
Die israelische Militäroffensive werde scheitern. Bislang habe die Armee kein einziges ihrer Ziele erreicht. Der Sieg der Hamas sei nahe, sagte Maschaal.