Israel fürchtet neue Intifada

Aktualisiert

Angriff auf Gaza-KonvoiIsrael fürchtet neue Intifada

Was lief schief? Diese Frage stellt man sich in Israel nach dem tödlichen Militäreinsatz gegen die Gaza-Flotte. Ein neuer Palästinenser-Aufstand scheint möglich.

von
Peter Blunschi
Palästinenser verbrennen eine israelische Flagge im Hafen von Gaza.

Palästinenser verbrennen eine israelische Flagge im Hafen von Gaza.

Für Danny Ayalon ist der Fall klar: Die Organisatoren des Gaza-Hilfskonvois hätten «Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen wie Hamas und Al Kaida», sagte der stellvertretende Aussenminister am Montag an einer Medienkonferenz. Man habe Waffen an Bord der Flotte gefunden, die gegen die israelischen Soldaten eingesetzt worden seien. Auch Verteidigungsminister Ehud Barak machte die Organisatoren des Schiffskonvois für die Gewalt verantwortlich, es habe sich um eine «politische Provokation» gehandelt.

Quer durch das politische Spektrum in Israel herrscht Einigkeit: Die Soldaten waren bei der Enterung des Konvois angegriffen worden, mit Messern, Eisenstangen und möglicherweise Schusswaffen. Auch die linksliberale Zeitung «Haaretz» schreibt in einer ersten Analyse von einem «Lynchmob». Ebenso einmütig fragt man sich aber: Wie konnte es zur Eskalation mit bis zu 20 Toten kommen? Selbst Shmuel Rosner, ein Blogger der rechten «Jerusalem Post», bezeichnete die Kommandoaktion als «Desaster».

Bruch mit der Türkei?

Eine Untersuchung soll klären, was genau passiert ist. Daneben beschäftigen sich die israelischen Medien mit den möglichen Folgen der Aktion: Da wäre zum einen das Verhältnis zur Türkei, dem einst wichtigsten Verbündeten Israels in der islamischen Welt. Dieses hat sich unter dem moderat-islamistischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan schon seit einiger Zeit verschlechtert. Nun könnte es zum «totalen Abbruch der Beziehungen» kommen, mutmasst «Haaretz». Die Regierung in Ankara hat ihren Botschafter bereits abberufen, umgekehrt warnt Israel seine Bürger vor den beliebten Reisen in die Türkei.

Daneben wächst die Furcht vor einer dritten Intifada, einem neuen Aufstand der Palästinenser. Diese könnte auch die Araber in Israel erfassen, denn unter den verwundeten Aktivisten der Gaza-Flotte soll sich Raed Salah befinden, ein Anführer der Islamischen Bewegung in Israel. Der charismatische Scheich gilt als Hardliner, er gehört aber auch zu den populärsten Vertretern der israelischen Araber. Wegen angeblicher Finanzierung der palästinensischen Hamas sass er zwei Jahre im Gefängnis.

Proteste in Nazareth

Laut israelischen Militärkreisen wurde Salah bei der Kommandoaktion verletzt, er soll sich jedoch nicht in Lebensgefahr befinden. Anfangs hiess es, er sei tot. Für diesen Fall befürchtet «Haaretz» eine «Welle von Unruhen». Falls es beiden Seiten nicht gelinge, die Situation zu beruhigen, könnte es zu einem neuen Palästinenseraufstand kommen. «Jerusalem Post»-Blogger Rosner hält es für möglich, dass der Zwischenfall «den Auftakt zu einer dritten Intifada» bilden könnte.

In der vorwiegend von Arabern bewohnten nordisraelischen Stadt Nazareth kam es nach Berichten über Raed Salahs Verwundung zu Protesten, die Behörden riefen für Dienstag zu einem Generalstreik auf. Die israelische Armee wurde in Alarmbereitschaft versetzt. Auch arabische Politiker reagierten empört: Der Knesset-Abgeordnete Taleb al-Sana sprach gegenüber «Haaretz» von «Staatsterror» und meinte, der Vorfall beweise, «dass man kein Deutscher sein muss, um ein Nazi zu sein».

Von der israelischen Armee veröffentlichtes Video der Kommandoaktion, das Angriffe auf Soldaten zeigen soll:

Netanjahu sagt Treffen mit Obama ab

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat wegen der Krise nach der Erstürmung eines Schiffskonvois im Mittelmeer einen geplanten Besuch im Weissen Haus abgesagt. Netanjahu, der sich am Montag in Kanada aufhielt, wollte eigentlich am Dienstag in Washington mit US-Präsident Barack Obama zusammentreffen. Nach der israelischen Militäraktion entschied er sich jedoch, früher nach Israel zurückzukehren, wie sein Büro mitteilte. (ddp)

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