Verweigerer in IsraelDer besten Armee gehen bald die Soldaten aus
Wehrdienstverweigerung entwickelt sich in Israel zu einem ernsten Problem. Der Hauptgrund sind ultra-orthodoxe Juden, die sich aufgrund ihres Glaubens freistellen lassen.

Israelische Soldaten im Januar 2009 im Norden des Gazastreifens. Ultra-orthodoxe Wehrdienstverweigerer werden für die israelische Armee zu einer zunehmenden Gefahr.
Bevor Ueli Maurer die Auszeichnung für die Schweiz beanspruchte, galt gemeinhin die israelische Armee als die beste der Welt. Mehrmals in ihrer Geschichte obsiegte sie gegen zahlenmässig weit überlegene arabische Gegner. Doch spätestens nach dem Libanonkrieg 2006, der Operation «Gegossenes Blei» 2008/2009 und dem Überfall auf einen türkischen Gaza-Hilfskonvoi 2010 hat ihr Mythos Kratzer bekommen. Die grösste Gefahr droht heute diesseits der Grenze: Eine wachsende Zahl ultra-orthodoxer Israelis verweigert den Wehrdienst, der eigentlich für alle (nicht-arabischen) Frauen und Männer im Alter von 18 Jahren obligatorisch ist.
«Riss in der Gesellschaft»
Im Jahr 2020 werden 60 Prozent der 18-Jährigen den Militärdienst verweigern, prophezeite der Rekrutierungschef der israelischen Armee, Generalmajor Avi Zamir, am Donnerstag. «Die israelische Armee ist immer noch eine Volksarmee mit einer ziemlich hohen Dienstbereitschaft, aber es gibt einen Riss in der Gesellschaft. Wir müssen verhindern, dass dieser Riss weiter wächst», sagte er laut «Jerusalem Post» anlässlich der November-Aushebung. Aktuelle Statistiken belegen, dass schon heute die Hälfte aller Israelis zwischen 18 und 40 Jahren keinen Armeedienst leisten, sei dies im dreijährigen Grunddienst oder in der Reserve.
Keine Zeit für die Armee
Der Hauptgrund für die Zunahme der Wehrdienstverweigerer ist die wachsende Zahl ultra-orthodoxer Juden, die aufgrund ihres Glaubens freigestellt werden. Die «Haredi», wie sie auf hebräisch genannt werden, verbringen ihre Zeit mit dem Studium der Torah. Ein Unterbruch für den Militärdienst kommt für viele nicht in Frage. Da ihre Geburtenrate dreimal so hoch ist wie der nationale Durchschnitt, könnte sich der Aderlass in Zukunft weiter zuspitzen.
Die israelische Armee hat aus diesem Grund einen speziellen Ersatzdienst geschaffen, der auf die Bedürfnisse der Ultra-Orthodoxen zugeschnitten ist. Doch das Interesse war bisher bescheiden. Nur rund tausend Hardedi haben in den vergangenen zwei Jahren von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. 2010 liessen sich zum Vergleich 62 500 Haredi vom Militärdienst befreien.
«Wenig geben, viel nehmen»
Die israelische Volkswirtschaft leidet ebenfalls unter diesem Phänomen, da die Haredi oft keiner Arbeit im bürgerlichen Sinn des Wortes nachgehen. Für ihren Lebensunterhalt sind sie allerdings von staatlichen Zuwendungen abhängig. Omer Moav, ein ehemaliger Berater des israelischen Finanzministers Yuval Steinitz, brachte es gegenüber «Bloomberg» auf den Punkt: «Jeder Bürger gibt etwas und bekommt etwas zurück. Eine durchschnittliche Haredi-Familie gibt wenig und bekommt viel.»
Die Beschuldigten selbst sehen das anders: «Wir leben in einer jüdischen Nation und versorgen sie mit spiritueller Energie, um sie am Leben zu erhalten. Das ist mindestens so wichtig wie die Wirtschaft», zitierte «Bloomberg» einen 39-jährigen Haredi.