BethlehemFür Maria und Josef ist wieder kein Zimmer frei
Die Geschichte wiederholt sich. Genau wie vor über 2000 Jahren ist Bethlehem ausgebucht. Die Einheimischen aber bezeichnen die Geburtsstadt Jesu als «Freiluftgefängnis».

Eine «lebendige Krippe» vor der israelischen Sperrmauer in Bethlehem.
Wenn Maria und Josef heute aus Nazareth anreisen würden, sie fänden erneut keine Unterkunft in einer Herberge: Kurz vor Weihnachten sind die Hotelzimmer in Bethlehem ausgebucht, rund 90 000 Gäste werden erwartet – das sind nach offiziellen israelischen Angaben etwa 20 000 mehr als im vergangenen Jahr. Zurückzuführen ist dieser Boom auf den kontinuierlichen Rückgang der Gewalt im Westjordanland.
In diesem Jahr strömten bereits 1,4 Millionen Touristen nach Bethlehem. Alle 2750 Gästezimmer in dem für Christen bedeutsamen Ort sind für die Weihnachtswoche komplett belegt. Vier weitere Hotels werden derzeit gebaut. «Wir glauben, dass die wirtschaftliche Situation im Vergleich zu früheren Jahren stabiler ist und sich verbessert», sagt Samir Hasbun von der Handelskammer in Bethlehem.
Verhasste Trennmauer
Die Weihnachtsfeierlichkeiten beginnen am Freitag mit der Prozession von Jerusalem nach Bethlehem unter Leitung des lateinischen Patriarchen Fouad Twal. Sie muss drei eiserne Tore in einer Wand passieren, die von Israel errichtet wurde, um palästinensische Attentäter fernzuhalten. Grosse Teile der Stadt sind von der Mauer umgeben. Bei der Ein- und Ausreise muss man Kontrollpunkte der israelischen Armee passieren.
Die Palästinenser in der Stadt beklagen immer wieder die starken Einschränkungen im täglichen Leben durch die meterhohe Mauer. Sie beschreiben Bethlehem als «Freiluftgefängnis». Israel hatte vor sieben Jahren mit dem Bau der Sperranlage begonnen, nachdem zahlreiche Selbstmordanschläge militanter Palästinenser das Land erschütterten. Seitdem ist die Zahl der Anschläge dramatisch zurückgegangen.
Die internationale Gemeinschaft sieht die Anlage jedoch als nicht rechtmässig an, weil sie zu grossen Teilen auf palästinensischem Gebiet verläuft. Durch Slogans und Graffiti auf der Betonmauer drücken die Bethlehemer ihren Widerstand gegen den verhassten Bau aus. An einer Stelle ist ein wuchtiges Nashorn aufgemalt, das die Mauer durchbricht. Wenige Meter weiter folgt ein eher humorvolles Bild: Ein Pinguin fliegt mit einem Propeller in den Farben der Palästinenserflagge in die Höhe, um die Mauer zu überwinden.
Israel erlaubt Reisen
Israel stellt in der Weihnachtszeit etwa 7000 Reisegenehmigungen für Palästinenser aus dem Westjordanland aus. Die Dokumente seien einen Monat lang gültig, sagte ein Repräsentant der israelischen Armee am Montag in Jerusalem. «Es ist wichtig für uns, dass die Einwohner Bethlehems ihre Familien in Israel und die heiligen Stätten besuchen können», sagte Ijad Sarhan, Leiter des israelisch-palästinensischen Verbindungsbüros. Er lobte die enge Zusammenarbeit mit der palästinensischen Polizei.
300 Palästinenser dürften auch über den internationalen Flughafen von Tel Aviv ins Ausland reisen, sagte Sarhan. 500 christliche Palästinenser aus dem blockierten Gazastreifen sollten Passierscheine erhalten, damit sie zu Weihnachten in das Westjordanland reisen können. In diesem Jahr habe man auch 200 Reisegenehmigungen für Christen aus arabischen Staaten erteilt, die über die Allenby-Brücke von Jordanien aus in das Westjordanland einreisen könnten.
Mehrheit der Bewohner sind Muslime
Zwar gilt Bethlehem als Geburtsort Jesu Christi, doch inzwischen haben Christen hier ihre Mehrheit verloren: Mehr als zwei Drittel der 50 000 Bewohner sind Muslime. Dennoch ist die Stadt darum bemüht, ihrer Bedeutung in der christlichen Geschichte Nachdruck zu verleihen. So verfügt der Geburtsort Jesu heute über die beste Geburtsklinik im Westjordanland.
Das Krankenhaus zur Heiligen Familie, das seit 1882 existiert, wegen politischer Gewalt aber zwischenzeitlich geschlossen werden musste, liegt nur wenige hundert Meter von der Geburtskirche entfernt. Die Lage der Klinik sei kein Zufall, sagt ihr Leiter Jacques Keutgen. «Dies ist der Geburtsort von Jesus Christus, daher ist es sehr wichtig, dass die Frauen hier die Möglichkeit haben, sicher und in Frieden zu entbinden.» (pbl/sda/dapd)