Nahost-KonfliktIsrael verliert den Propagandakrieg
Der Ausgang des blutigen Konflikts im Gazastreifen ist noch offen, den Kampf um die öffentliche Meinung scheint Israel indes schon verloren zu haben. Dafür sorgen die Bilder der Opfer im Palästinensergebiet.
Seit Beginn der Offensive am 27. Dezember führt Israel den Krieg im Gazastreifen auch in den Medien: Das Verteidigungsministerium veröffentlicht auf YouTube Bilder von Luftangriffen auf Stellungen der radikalen Hamas. Auch in Internet-Foren versucht die Regierung ihren Einfluss auszuspielen. Das Konsulat in New York verwickelte im Netzwerk Twitter 2500 Blogger in die Debatte über die Kriegsführung.
Die Botschafter des Landes in aller Welt geben unermüdlich Erklärungen ab. Und Armeesprecherin Avital Liebovich wird zu einer Art Medienpersönlichkeit, die übermüdet, aber sachlich noch die aggressivsten Fragen zur Militärstrategie und den palästinensischen Opfern beantwortet. Gegen die Bilder von verzweifelten Eltern jedoch, die leblose Kinder in überfüllte Spitäler im Gazastreifen tragen, kann auch die sorgfältigste Strategie wenig ausrichten: «Israel wird die Kommunikationsschlacht nicht gewinnen», sagt Medienspezialist Dominique Wolton vom französischen Forschungsverband CNRS in Paris.
PR funktioniert nicht richtig
Der «unangemessene Einsatz» seiner Militärmacht und die ausufernde Gewalt machten alle Propaganda-Bemühungen zunichte, sagt Wolton. Dass die Palästinenser «nicht viel sagen» und die Hamas sich in ihren Mitteilungen vor allem auf die arabische Welt konzentriere, schmälere nicht die Wirkung der bewegenden Bilder aus dem Konfliktgebiet, meint Wolton.
Tatsächlich stossen die Israelis mit ihrem Vorgehen international auf wenig Verständnis. Die Bodenoffensive am Wochenende wurde zumeist kritisiert, weltweit gingen zehntausende Menschen auf die Strasse. Israels Propaganda habe bei ihren Hauptzielgruppen in Europa und den USA nicht besonders gut funktioniert, sagt der Londoner Nahost-Experte Charles Tripp.
Israel sei nicht im PR-Geschäft – «wir kämpfen gegen den Terror», antwortete am Dienstag Präsident Schimon Peres auf eine Bemerkung der EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, sein Land laufe Gefahr, sein «Image» zu zerstören. Doch dass Israel sehr wohl sein Bild in der Öffentlichkeit beeinflussen will, zeigt laut Experten allein die Tatsache, dass das Land im vergangenen Jahr eine britische PR-Firma anheuerte, die schon für den Libanon und Nordirland Image-Kampagnen entwarf.
Katz und Maus an der Grenze
Auch im Krisengebiet selbst bekommen Berichterstatter die Einflussnahme zu spüren. An der Grenze zum Gazastreifen spielen Journalisten mit der Militärpolizei Katz und Maus, wie Betroffene berichten. Schon häufiger sei es vorgekommen, dass Soldaten Fotografen zwangen, ihre gerade geschossenen Bilder von feuernden israelischen Raketenwerfern zu löschen, berichtet ein Fotograf.
Ausländische Journalisten will Israel trotz einer anders lautenden Entscheidung des Obersten Gerichts in der gegenwärtigen Situation nicht in den Gazastreifen lassen. Die Reporter und Fotografen vor Ort sind alle Palästinenser.
Israelischen Soldaten wurden vor der Bodenoffensive am Samstag die Mobiltelefone abgenommen – damit sie nicht mit Journalisten über die Ereignisse sprechen. Die Nachrichtensperre begründet die Armee mit den Erfahrungen aus dem Libanon-Krieg, wo wegen der starken Medienpräsenz strategische Informationen öffentlich geworden seien und Soldaten gefährdet hätten.
(pbl/sda)
Peinlicher Flop auf France 2
Der öffentlich-rechtliche französische Fernsehsender France 2 strahlte am Montag ein Video aus, das angeblich die Opfer eines israelischen Angriffs am 1. Januar zeigte. In Wirklichkeit handelte sich um Bilder, die bereits im Jahr 2005 entstanden nach der Explosion von Hamas-Raketen, die auf einem Lastwagen gelagert und bei einem Unfall explodiert waren. Der Sender musste sich für die falsche Berichterstattung entschuldigen. Die französische Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (Licra) erklärte am Mittwoch, die Entschuldigung reiche nicht aus, und verlangte «exemplarische Strafen» für die Verantwortlichen. Angesichts einer steigenden Zahl von antisemitischen Übergriffen in Frankreich in der Folge des Gaza-Konflikts sei eine solche Berichterstattung nicht hinnehmbar.