Die Wahrheit über das grosse 9/11-Komplott

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VerblödungstheorienDie Wahrheit über das grosse 9/11-Komplott

War es wirklich Al Kaida? Oder haben die USA die Terroranschläge vom 11. September selber inszeniert? Viele sind davon überzeugt. Warum das alles Humbug ist.

Peter Blunschi
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Peter Blunschi

11. September 2001: Zwei ferngesteuerte Flugzeuge prallen in die Zwillingstürme des World Trade Center in New York. An Bord sind ahnungslose Muslime, die als Sündenböcke hinhalten müssen. Dem Einsturz der Türme wird mit Sprengungen «nachgeholfen». Kurz darauf trifft ein Marschflugkörper das Pentagon, eine weitere Passagiermaschine wird über dem Bundesstaat Pennsylvania abgeschossen. Schliesslich wird auch das World Trade Center 7 in New York gesprengt – dort befand sich die Kommandozentrale der Verschwörer.

So hat es sich abgespielt, sind viele überzeugt. Oder so ähnlich – die Versionen der Verschwörungstheoretiker sind vielfältig und teilweise widersprüchlich. In den USA und Grossbritannien gehen laut Umfragen rund 15 Prozent der Menschen davon aus, dass die US-Regierung die Anschläge selbst inszeniert hat, um freie Bahn für die Eroberungspläne in der muslimischen Welt zu haben. Noch weit grösser ist die Zahl jener, die zumindest davon ausgehen, dass Washington nicht die ganze Wahrheit über 9/11 erzählt hat. Vielleicht wusste man Bescheid und tat nichts, um die Anschläge zu verhindern.

Einzig die USA und ihr finsterer Geheimdienst CIA sind in der Lage...

Auch in der Schweiz gibt es Zweifler. Auf der Website 911untersuchen.ch verlangen 111 Personen, darunter namhafte Politiker und Historiker, eine neue, unabhängige Untersuchung der Terroranschläge. Zwar zeigen sie nicht mit dem Finger auf die USA. Auch die meisten Verschwörungstheoretiker nennen das Kind nicht beim Namen. Schliesslich fehlen ihnen die Beweise, und sie wollen auch nicht als «Spinner» gelten, sondern «nur» Fragen stellen. Doch die Antwort ist meist klar: Einzig die USA und ihr finsterer, allmächtiger Geheimdienst CIA sind in der Lage, einen Plan dieser Dimension in die Tat umzusetzen.

Was ist davon zu halten? Hier soll es nicht um die Details gehen. Die Vorwürfe und Behauptungen der Verschwörungs-Freaks basieren entweder auf Gerüchten ohne reale Grundlage, oder sie wurden überzeugend widerlegt, etwa durch den Dokumentarfilm «11. September 2001 – was wirklich geschah» des ZDF: Eine heisse Spur, die von 9/11 zur CIA oder ins Weisse Haus führt, konnte in den letzten zehn Jahren niemand präsentieren. Hier geht es um eine andere Frage: Kann eine solche Verschwörung überhaupt gelingen?

Rat bei Machiavelli

Einer wusste es genau: «Viele Verschwörungen werden ausgeführt, doch nur die wenigsten enden wie gewünscht», schrieb Niccolò Machiavelli, Staatsmann und Philosoph im Florenz des 16. Jahrhunderts. Der wohl bedeutendste Theoretiker der Macht war 1512 selbst zu Unrecht beschuldigt worden, in eine Verschwörung gegen die Medici verwickelt zu sein. Er wurde verhaftet, gefoltert und schliesslich auf sein Landgut verbannt, wo er sein Buch «Discorsi» schrieb, in dem er ein Kapitel dem Thema Verschwörungen widmete.

Verschwörungen seien mit zahlreichen Gefahren verbunden, sowohl bei der Planung, der Ausführung wie im Nachgang, meinte Macchiavelli. Es sei schon sehr viel Glück nötig, damit eine Verschwörung nicht bereits in der Anfangsphase auffliege. Eine eiserne Grundregel lautet: So wenig Mitwisser wie möglich! Der Pragmatiker Machiavelli war überzeugt, dass jede Verschwörung aufgedeckt wird, an der mehr als drei oder vier Komplizen beteiligt sind, «durch Missgunst, Unvorsichtigkeit oder Gedankenlosigkeit». Verschwörer sind keine James-Bond-Typen, sondern normale Menschen: Fehlerhaft und schwatzhaft.

Der beste Weg: die «Ein-Mann-Verschwörung»

Eine CIA-Verschwörung, wie eingangs skizziert, hätte eine sehr grosse Zahl an Beteiligten erfordert. Für Geheimdienstler ein Grund zur Sorge, denn nichts fürchten sie mehr als Enttarnung. Ihre westlichen, auf kritisches Hinterfragen getrimmten Gehirne wären zum Schluss gekommen, dass ein Plan mit drei oder vier Flugzeugen an Wahnsinn grenzt. Eine CIA-Verschwörung hätte sich mit einem Flugzeug begnügt, und selbst diese wäre wohl wegen zu vieler Bedenken abgeblasen worden.

Und doch gibt es Menschen, die einen solchen Wahnsinnsplan in die Tat umsetzen können. Es sind Menschen, deren Oberstübchen einer ideologischen «Säuberung» unterzogen und damit von Selbstzweifeln worden ist. Der Norweger Anders Behring Breivik hat gezeigt, dass es solche Figuren auch in der westlichen Hemisphäre gibt. Als «Ein-Mann-Verschwörung» – nach Machiavelli der beste Weg, um nicht entdeckt zu werden – zündete er eine Bombe im Zentrum von Oslo und massakrierte danach kaltblütig 68 Menschen auf einer Insel.

Nicht kühle Geheimdienstler, sondern islamische Fanatiker

Das gilt erst recht für jene Teile der Welt, in denen die Aufklärung kaum Wurzeln geschlagen hat und wo die Religion eine wichtige Rolle spielt. Dort findet man genug frustrierte Leute, die empfänglich sind für die verführerisch-simplen Verheissungen religiöser Rattenfänger und bereit, im «Heiligen Krieg» ihr eigenes Leben zu opfern. Für solche Menschen ist kein Plan zu wahnsinnig, sie sind willens und fähig, Passagierjets mit Teppichmessern zu kapern und in das anvisierte Ziel zu lenken.

Der Glaube an die grosse 9/11-Verschwörung wird trotzdem nicht so schnell verschwinden. Zu verlockend ist diese Theorie in einer Zeit der «neuen Weltunordnung», in der die Menschen eine einfache Lösung für komplexe Probleme suchen. Deshalb müsste man die Forderung nach einer neuen Untersuchung von 9/11 eigentlich unterstützen. Wenn sie wirklich von unabhängigen, klar denkenden Köpfen durchgeführt wird, kann sie nur zu einem Ergebnis führen: Nicht die Allmacht der CIA, sondern im Gegenteil Schlamperei und Inkompetenz der US-Behörden waren dafür verantwortlich, dass die Anschläge vom 11. September 2001 gelingen konnten. Und nicht kühl kalkulierende Geheimdienstler haben sie ausgeführt, sondern islamische Fanatiker: Mohammed Atta und seine 18 Komplizen.

Buchtipps

Wie Verschwörungstheorien funktionieren – so lautet der Untertitel des Buchs «Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer». Der deutsche Autor Thomas Grüter erklärt darin die Ursachen und den Aufbau von Verschwörungstheorien, angereichert mit zahlreichen Beispielen von echten und eingebildeten Verschwörungen, von der Ermordung Julius Cäsars über die Protokolle der Weisen von Zion bis zum 11. September 2001.

Wer die wahren Hintergründe von 9/11 erfahren will, kommt an «Der Tod wird euch finden» nicht vorbei. Die Berliner «taz» bezeichnet das Buch als «Standardwerk über die Vorgeschichte der Anschläge vom 11. September». In einer aufwändigen Recherche mit unzähligen Interviews hat Lawrence Wright, Mitarbeiter des Magazins «New Yorker», nicht nur die Geschichte des modernen Islamismus und von Al Kaida aufgearbeitet. Er zeigt auch in aller Deutlichkeit, wie Bürokratismus und kindische Machtspiele zwischen CIA und FBI verhindert haben, dass die Attentäter rechtzeitig entlarvt und gestoppt werden konnten.

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