Norwegens Antwort auf die Anschläge

Aktualisiert

Offenheit und DemokratieNorwegens Antwort auf die Anschläge

Die norwegische Regierung will sich in ihrer Vorstellung einer toleranten und pluralistischen Gesellschaft nicht abbringen lassen. Man werde sich verteidigen und zeigen, dass man keine Angst vor Gewalt habe.

Ministerpräsident Jens Stoltenberg unterstrich an der Pressekonfernz, dass Norwegen ein offenes Land bleiben werde.

Ministerpräsident Jens Stoltenberg unterstrich an der Pressekonfernz, dass Norwegen ein offenes Land bleiben werde.

Norwegen will auf die Anschläge mit noch mehr Offenheit und Demokratie antworten. Die Bevölkerung werde sich verteidigen, indem sie zeige, dass sie keine Angst vor Gewalt habe, sagte der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg am Mittwoch. Die Antwort Norwegens auf die Anschläge sei ein Mehr an Demokratie.

«Es ist absolut möglich, eine offene, demokratische und alle Menschen einschliessende Gesellschaft zu haben, und gleichzeitig Sicherheitsmassnahmen umzusetzen und nicht naiv zu sein», sagte Stoltenberg. Einige Regierungsmitarbeiter wollten am Mittwoch in ihre Büros im Zentrum Oslos zurückkehren, wo die Bombe am Freitag schwere Schäden angerichtet hatte.

Wie jetzt bekannt geworden ist, handelt es sich bei einem der Opfer des Bombenanschlags um eine Mitarbeiterin des norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg. Die 51-jährige Frau habe in der Finanzverwaltung von Stoltenbergs Büro gearbeitet, teilte die norwegische Regierung am Mittwoch mit.

Einsatzleiter verteidigt Sondereinsatzkommando gegen Kritik

Der Einsatzleiter des norwegischen Sonderkommandos hat sein Team gegen Vorwürfe eines zu späten Eingreifens bei dem Massaker auf der Insel Utöya in Schutz genommen. Anders Snortheimsmoen sagte am Mittwoch, dass das eigentlich für die Überfahrt auf die Insel vorgesehene Boot zwar wegen eines Schadens ausgetauscht werden musste. Die Beamten seien aber rasch auf ein besseres Boot ausgewichen, Zeit habe das keine gekostet. Sein Team sei zur selben Zeit am Hafen eingetroffen wie die örtliche Polizei.

Justizminister Knut Storberget, der bereits am Dienstag die Polizeiarbeit gegen Kritik verteidigt hatte, lobte den Einsatz der Sondereinheit erneut. Durch ihre Hilfe habe ein grössere Tragödie verhindert werden können.

Die Insel liegt 40 Kilometer von Oslo entfernt. Die Polizei benötigte 90 Minuten, um dorthin zu gelangen. Als die Sicherheitskräfte eintrafen, war bereits ein Pressehubschrauber vor Ort. Ein Kameramann des Senders NRK, der Videoaufnahmen des Massakers machte, sagte der Nachrichtenagentur AP, sein Hubschrauber sei zwischen 18.00 und 18.10 Uhr eingetroffen. Die Polizei traf nach eigenen Angaben um 18.25 Uhr auf der Insel ein. Die Besatzung des einzigen Hubschraubers, der ihr zur Verfügung stand, befand sich in Urlaub.

Nervöse Polizei

Die norwegische Polizei hat auch am Mittwoch nach dem Doppelanschlag auf jeden noch so kleinen Hinweis auf mögliche Folgetaten reagiert. Nachdem ein herrenloses Gepäckstück in einem Bus gefunden worden war, wurde der Hauptbahnhof in Oslo zeitweise evakuiert.

Nach Untersuchungen mit einem ferngesteuerten Roboter stellte sich die Tasche als harmlos heraus. «Es wurde nichts von Interesse für die Polizei gefunden», sagte ein Sprecher.

Zuvor hatte die norwegische Nachrichtenagentur NTB berichtet, eine unbekannte Person habe offenbar einen Koffer auf einem Bahnsteig in der Nähe der Flughafenbuslinie abgestellt. Der Zug- und Busverkehr in der Hauptstadt wurde eingestellt. Um den Bahnhof herum zogen Sicherheitsbehörden Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste zusammen.

Irrtümliche Warnung

Für Verwirrung sorgte auch die Warnung der Polizei vor einem Mann, der sich mit dem geständigen Massenmörder Anders Behring Breivik identifiziert haben soll. Die Warnung sei irrtümlich herausgegeben worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei fahnde nur nach einem Mann, der geistig erkrankt sei und nichts mit Breivik zu tun habe.

Breivik selbst steht in Verdacht, geisteskrank zu sein. Der 32-Jährige hatte 76 Menschen getötet, die meisten davon bei einem rund einstündigen Amoklauf auf der Insel Utøya nahe Oslo. Stunden vorher hatte er durch einen Bombenanschlag im Regierungsviertel der Hauptstadt acht Menschen das Leben genommen.

Sprengstoff gefunden

Auf dem Hof des Attentäters brachte die Polizei am Dienstagabend Sprengstoff kontrolliert zur Explosion. Bei der Detonation im rund 160 Kilometer von Oslo entfernt gelegenen Rena sei niemand verletzt worden, teilte eine Polizeisprecherin mit.

Wie viel Sprengstoff gefunden wurde, sagte sie nicht. Die Polizei vermutet, dass Breivik Dünger zur Herstellung von Sprengsätzen benutzte.

Geheimdienst: Breivik nicht verrückt, sondern «vollkommen böse»

Der norwegische Geheimdienst hat bislang keine Hinweise auf Verbindungen Breiviks zu «Zellen» von Gleichgesinnten in Europa, sagte Geheimdienstchefin Janne Kristiansen in London. Seit Freitag beschäftige sich der Geheimdienst eingehend mit der Frage nach Komplizen und werde dem auch weiter nachgehen. «Im Moment haben wir keine Beweise für die Existenz anderer Zellen, weder in Norwegen noch in Grossbritannien», fügte sie hinzu.

Breivik hatte nach Angaben seines Anwalts geäussert, nicht nur Kontakte zu zwei «Zellen» in Norwegen, sondern auch zu Gleichgesinnten im Ausland gehabt zu haben. Sie halte das für «möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich», sagte Kristiansen dazu.

Medien hatten etwa berichtet, der Norweger habe Verbindungen zur britischen English Defence League (EDL) gepflegt, die islamfeindliche Kampagnen organisiert. Diese dementierte allerdings umgehend den Kontakt zu ihm.

Der Anwalt des 32-Jährigen hatte zudem erklärt, der gesamte Fall deute darauf hin, dass sein Mandant «verrückt» sei. Psychiater sollten nun seinen Geisteszustand untersuchen.

Die Geheimdienstchefin äusserte sich zu dieser Möglichkeit ablehnend: «Meiner Meinung nach ist er durchaus ein zurechnungsfähiger Mensch», sagte sie. Er sei konzentriert und berechnend und habe über Jahre hinweg an seinen Plänen gefeilt. All das passe nicht zu einem verrückten Menschen. Breivik sei vielmehr «vollkommen böse». (sda/dapd)

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