So fährt es sich im neuen S-Bahn-Zugpferd

Aktualisiert

Regio-DoppelstöckerSo fährt es sich im neuen S-Bahn-Zugpferd

Das neue Flaggschiff im Regio-Verkehr hat seine Jungfernfahrt absolviert. Ob der Stadtpräsidentin oder dem Lokführer, der Zug von Stadler Rail gefällt. Es gibt aber auch Kritikpunkte.

von
Adrian Müller

Mit Pauken und Trompeten haben die SBB und Stadler Rail am Montagmittag die Taufe des ersten Doppelstock-Zuges «Dosto Kiss» auf den Namen «Stadt Zürich» gefeiert. Wenig später sitzt die Taufpatin und Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch im Viererabteil der 2. Klasse. Der Zug gleitet fast geräuschlos über die Schienen. «Die Wagen und die Inneneinrichtung wirken sehr ansprechend und geräumig», sagt Mauch zu 20 Minuten Online. In der Tat: Dank eines neuartigen Lüftungskonzepts sind die Kabinen 17 Zentimeter breiter als bei den heutigen Modellen.

Umstrittenes Abfallkonzept

Ab dem 19. September verkehrt der erste von insgesamt 74 Stadler-Doppelstöckern auf dem Liniennetz der Zürcher S-Bahn; zuerst auf der S12 von Brugg nach Seen. Dies freut die Chefin von SBB Personenverkehr, Jeannine Pilloud: «Mit dem neuen Zug nähern wir uns auch im S-Bahn-Verkehr dem Intercity-Komfort an.»

Eine Kurzumfrage im rollenden Zug zeigt: Die Passagiere der Jungfernfahrt schätzen etwa die weichen Sitze und die vielen Abstellmöglichkeiten für sperriges Gepäck und Velos. Dies geht allerdings auf Kosten der Anzahl Sitzplätze. Die Konstrukteure haben sogar an einen Wickeltisch gedacht. Kritik erntet praktisch nur das neuartige Abfallkonzept. In der S-Bahn-Version müssen die Passagiere ihren Müll bei den Ausgängen entsorgen, die kleinen Abfallkübel im Abteil verschwinden. «Das funktioniert bestimmt nicht», kommentiert ein Passagier.

Hoher Zeitdruck

Abfallkübel hin oder her: Stadler-Chef und SVP-Nationalrat Peter Spuhler ist stolz auf seinen neusten Wurf: «In nur drei Jahren haben wir einen topmodernen Zug entwickelt, gebaut und ausgeliefert.» 80 Prozent der Bauteile stammten aus Schweizer Produktion. «Das sichert gerade in der jetzigen Franken-Krise Arbeitsplätze», sagt der Thurgauer Unternehmer. Er ist aber bestimmt nicht unglücklich, dass die SBB ihr neues Baby in Schweizer Franken bezahlen.

Wenig mitbekommen vom ganzen Trubel der Erstfahrt hat der Lokführer: Mit ruhiger Hand fährt er den 150 Meter langen Zug durch das Limmattal: «Der Stadler-Dosto fährt sich sehr geschmeidig, die Beschleunigung ist super», erklärt Marco Gosetti. Er sei schon ein bisschen stolz, die erste Komposition der neuen S-Bahn-Generation zu steuern.

Video-Beitrag zum neuen Stadler-Doppelstöcker

Zahlen und Fakten zum neuen Dosto

Platzangebot

Die sechsteiligen Züge von Stadler Rail sind je 150 Meter lang (50 Meter länger als die Vorgänger) und bieten 1694 Reisenden Platz, davon 1168 Stehplätze (4 Personen pro Quadratmeter). Die 526 Sitzplätze verteilen sich auf 112 Sitzplätze in der ersten Klasse und 414 Sitzplätze in der zweiten Klasse.

WLAN

Im Gegensatz zu den neuen Fernverkehrszügen verfügen die Stadler-Doppelstöcker über kein WLAN. Einerseits aus Kostengründen, anderseits weil es auf Kurzstrecken nicht rentiert.

Veloabteile

Pro Zug gibt es zwei Multifunktionsbereiche mit Abstellmöglichkeiten für Kinderwagen und Fahrräder. Sämtliche Wagen haben Niederflur-Einstiege.

Einsatzgebiet

Die Züge verkehren auf dem gesamten ZVV-Netz. Die Regioexpress-Züge fahren auf den Strecken Zürich-Schaffhausen, Bern-Biel, Bern-Olten, Basel-Frick-Zürich und Genf-Lausanne. In der Region Bern fahren die BLS-Dostos auf den Strecken Fribourg–Bern–Thun, Biel–Bern–Belp und Schwarzenburg–Bern.

Höchstgeschwindigkeit

Die Stadler-Dosto fahren mit maximal 160 km/h. Sie sind damit 20 km/h schneller als das Vorgängermodell von Siemens.

Kompatibilität

Die neuen Züge können auch in Mischtraktion geführt werden. Das heisst, Doppelstock-Kompositionen der verschiedenen Generationen können aneinandergekoppelt verkehren.

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