Wer bezahlt im Falle eines Supergau?

Aktualisiert

Wer bezahlt im Falle eines Supergau?

Wenn der Supergau in einem Kernkraftwerk einträte, hätte das Milliardenschäden zur Folge. Die AKW-Betreiber haften nach dem Willen des Ständerats allerdings nur für den Betrag von 1,8 Milliarden Franken. Der Rest würde vom Staat bezahlt, weil sonst Atomstrom teurer würde.

Die obligatorische Versicherungsdeckung für Unfälle in Atomkraftwerken soll in der Schweiz von einer Milliarde Franken auf 1,8 Milliarden Franken erhöht werden. Der Ständerat hat am Donnerstag eine entsprechende Änderung des Kernenergiehaftpflichtgesetzes gutgeheissen. Weitergehende Forderungen von linksgrüner Seite blieben ohne Erfolg.

Mit der Anpassung der Haftpflichtregeln folgte der Ständerat den Vorgaben von zwei internationalen Abkommen. Diese zwei Vereinbarungen - das Übereinkommen von Paris und das Zusatzübereinkommen von Brüssel - sehen vor, dass für die finanzielle Bewältigung von Atomunfällen ein dreistufiges Modell eingehalten wird und neu ein Mindeshaftungsbetrag gelten soll.

Als obligatorische Versicherungsdeckung wurde darin ein Betrag von 1,8 Milliarden fixiert, weitere rund 450 Millionen Franken sollen im Fall eines Schadenereignisses von allen Vertragsstaaten gemeinsam aufgebracht werden.

Bürgerliche Gnade für Stromkonzerne

Wie es im Rat vor allem auf der Seite der SP und der Grünen hiess, ist die festgelegte Versicherungsdeckung von 1,8 Milliarden Franken eine «rein politische Grösse», die mit der Realität wenig zu tun habe. Sie unterstützten deshalb auch einen Rückweisungsantrag von Anita Fetz (SP/BS), damit vor einer Revision des Kernenergiehaftpflichtgestzes überhaupt erst einmal «Szenarien mit plausiblen Versicherungssummen» berechnet werden könnten.

Die bürgerliche Mehrheit im Rat stellte sich jedoch mit 33 gegen elf Stimmen gegen ein solches Ansinnen und verwies darauf, dass die Schweiz im internationalen Vergleich schon heute über strenge Haftpflichtregeln verfüge, die nun nicht «überspannt» werden dürften.

SP-Anträge abgelehnt

Ein Antrag von Simonetta Sommaruga (SP/BE), die obligatorische Versicherungsdeckung zumindest auf 2,25 Milliarden Franken zu erhöhen und damit den Vorschlag des Bundesrats vor der Vernehmlassung bei den Parteien und Verbänden wieder aufzunehmen, wurde deshalb ebenfalls mit 23 gegen 17 Stimmen abgelehnt.

Ein Radikalvorschlag von Anita Fetz (SP/BS), die versicherte Haftpflichtsumme auf 50 Milliarden Franken zu erhöhen und den Bund im Ernstfall gar mit bis zu 500 Milliarden Franken zu belasten wurde als verkappter Versuch, das Ende der Atomenergie in der Schweiz zu besiegeln, mit 27 gegen neun Stimmen bachab geschickt.

Versicherungskosten würden Strom verteuern

Neben versicherungsmathematischen und hypothetischen Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls in der Schweiz spielten beim Entscheid des Ständerats auch handfeste Geschäftsinteressen eine Rolle. Die Befürworter der Atomenergie verwiesen dabei auf die Gefahr, dass «überhöhte und nicht sachgerechte» Versicherungsbeiträge sich auch in höheren Strompreisen niederschlagen könnten.

Auf der Gegenseite sprach man sich demgegenüber einmal mehr dafür aus, den Preis für Atomstrom nicht künstlich tief zu halten, sondern mit einem «echten Wettbewerb» für bessere Marktchancen alternativer Energieträger zu sorgen - und dazu gehöre auch die realistische Abdeckung von potentiellen Gefahren.

Am Schluss zahlt der Staat

Am Prinzip, wonach die Betreiber eines Atomkraftwerks auch in Zukunft zunächst mit ihrem eigenen Vermögen und mit Hilfe der abgeschlossenen Versicherung für einen Schaden aufkommen müssen, soll sich nun auch mit dem revidierten Kernenergiehaftpflichtgesetz nichts ändern. Die Frage, wie weit darüber hinaus die öffentliche Hand zur Kasse gebeten werden soll, dürfte jedoch auch im Nationalrat noch Anlass für eine strittige Diskussion bieten. (dapd)

Deine Meinung zählt