China will «Dalai-Clique» niederschlagen
China hat eine «entschlossene Niederschlagung» der tibetischen Protestbewegung angekündigt. Ausserdem erwägt China, an der Olympiade keine Live-Übertragungen zu senden.
Unterdessen spricht selbst der Präsident des Europäischen Parlaments von einem Olympia-Boykott. Die kommunistische Parteizeitung «Renmin Ribao» schrieb am Samstag in einem Leitartikel: «Wir müssen die üblen Absichten der sezessionistischen Kräfte durchschauen, das Banner der sozialen Stabilität hochhalten und die Verschwörung der 'tibetischen Unabhängigkeitskräfte' entschlossen niederschlagen.»
Die Pekinger Behörden setzten ein weiteres Mal ihre Angaben zu den Todesopfern der Unruhen vom 14. März in der tibetischen Hauptstadt Lhasa herauf. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, dass fünf weitere Bewohner und ein Polizist ihren Verletzungen erlegen seien. Dadurch sei die Zahl der Toten auf 22 gestiegen. Nach Angaben der tibetischen Exilregierung kamen bei den Unruhen 99 Tibeter in Lhasa und 19 in der Provinz Gansu ums Leben.
Die Lage im vom Militär schwer bewachten Lhasa scheint sich unterdessen entspannt zu haben. Die Läden öffneten wieder, berichteten Bewohner telefonisch. «Die Volkspolizei patrouilliert rund um die Uhr in den Strassen», sagte eine Hotelangestellte, die aus Furcht vor Vergeltungsmassnahmen nicht namentlich genannt werden wollte. Der Potala-Palast und der Jokang-Tempel - bei Touristen, Gläubigen und Pilgern beliebte Ziele - waren vom Militär weiterhin abgeriegelt.
Peking spricht von «Dalai-Clique»
Die chinesische Regierung hat auf die grösste Herausforderung seiner Kontrolle in Tibet seit dem Aufstand von 1959 mit einer massiven Truppenverstärkung in Tibet und den Nachbarprovinzen reagiert. Der Sprecher des Aussenministeriums, Qin Gang, verurteilte jede Unterstützung für die «Dalai-Clique» - damit bediente sich das Ministerium erneut des Sprachgebrauchs der blutigen Epoche der Kulturrevolution.
Der Aufstand in Tibet wird immer mehr zum weltweiten Politikum. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, drohte mit einem Boykott der Olympischen Spiele in China. Laut «Bild am Sonntag» forderte er die chinesische Führung dazu auf, unverzüglich Gespräche mit dem Dalai Lama aufzunehmen. Erfolgreiche Spiele dürften nicht zum Preis des «kulturellen Völkermords an den Tibetern» erkauft werden. Am Mittwoch werde das Europäische Parlament über die Lage in Tibet beraten, kündigte Pöttering an.
Der designierte republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain forderte bei einem Besuch in Paris «Respekt für die Menschenrechte» in Tibet und bezeichnete die Haltung Pekings als inakzeptabel. In Tokio und dem Sitz der tibetischen Exilregierung im nordindischen Dharamsala kamen am Samstag erneut Hunderte zusammen, um gegen Chinas Politik zu demonstrieren.
China will Live-Übertragungen teilweise verbieten
Das chinesische Organisationskomitee der Olympischen Spiele hat offenbar beschlossen, während der Sportveranstaltungen im August keine Live-Übertragungen vom symbolträchtigen Platz des himmlischen Friedens zuzulassen. Das berichteten Mitglieder der Fernsehgruppe des Komitees, die nicht namentlich genannt werden wollten. Die Entscheidung, die eine herbe Enttäuschung für die Fernsehsender bedeuten würde, sei aber noch nicht endgültig. Auf dem riesigen Platz im Herzen Pekings wurde 1989 die Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen. (dapd)