Nach UNO-ResolutionGaddafis Truppen marschieren trotz Warnung
Muammar Gaddafi hat einen Waffenstillstand versprochen. Trotzdem laufen die Vorbereitungen für die Flugverbotszone auf Hochtouren.
Sitation am Freitagmittag: Paris, London und Washington bereiten Angriff vor
Nach dem grünen Licht der Vereinten Nationen bereiten Frankreich, Grossbritannien und die USA Luftangriffe gegen Muammar Gaddafi vor. Paris werde einen Einsatz «binnen Stunden» unterstützen, sagte der französische Premierminister François Fillon am Freitagmorgen. Aus Londoner Parlamentskreisen verlautete, britische Einheiten stünden für Luftangriffe bereit und könnten «sofort» mobilisiert werden. Premierminister Cameron kündigte an, die britische Luftwaffe werde sich mit Tornados und Eurofightern beteiligen.
Auch Norwegens Verteidigungsministerin Grete Faremo kündigte eine Beteiligung ihres Landes an der Militärintervention an. Dänemark will der aussenpolitischen Kommission des Parlaments «schnellstmöglich» eine Beteiligung beantragen, die auch F-16-Kampfflugzeuge umfassen soll. Warschau kündigt logistische Unterstützung an, schliesst aber ein militärisches Eingreifen aus.
Als eines der ersten Länder ausserhalb der NATO kündigte das Emirat Katar seine Teilnahme an der UNO-Aktion an. Unklar blieb vorerst die Rolle der USA sowie anderer arabischer oder afrikanischer Staaten wie des libyschen Nachbarlandes Ägypten. Die Amerikaner hoffen, dass sich weitere arabische Länder beteiligen. Die Luftwaffen Jordaniens, der Vereinigten Arabischen Emirate und auch Omans könnten sich beteiligen, sagte eine Gewährsperson in den USA.
Französiche Führung?
In Brüssel kam der NATO-Rat zusammen, um einen Einsatz vorzubereiten. Als Stützpunkte für den Militäreinsatz boten sich zunächst die NATO-Flugplätze auf der französischen Mittelmeerinsel Korsika an, ebenso der grosse NATO-Stützpunkt bei Souda auf der griechischen Mittelmeerinsel Kreta. Von dort beträgt die Flugzeit in Richtung Libyen knapp 20 Minuten. Das Bündnis könnte auch seine Basis Sigonella auf Sizilien und US-Flugzeugträger im Mittelmeer nutzen.
Nicht ausgeschlossen wurde, dass Frankreich, das sich vehement für die UNO-Resolution eingesetzt hatte, jetzt die führende Rolle in der Überwachung der Flugverbotszone übernimmt.
Deutschland könnte mit Überwachungsflugzeugen aushelfen
Der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle stellte klar, dass sich keine deutschen Soldaten an einem Militärschlag beteiligen werden. Deutschland hatte sich wie die Vetomächte China und Russland bei der Abstimmung in New York enthalten. In deutschen Diplomatenkreisen gibt es die Hoffnung, die Drohung eines Einsatzes könne ausreichen, um ein Ende der Gewalt zu erreichen. «Das Ziel ist ein Waffenstillstand», hiess es in Brüssel. Die deutsche Regierung erwägt jedoch einen Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen in Afghanistan, um so die NATO für einen möglichen Einsatz in Libyen zu entlasten.
Gaddafi lanciert Offensive vor Flugverbot
Die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi erneuerten ihre Angriffe auf die von Regimegegnern kontrollierte Stadt Misrata. Die Aufständischen hatten den UNO-Beschluss in der Nacht in den von ihnen kontrollierten Städten ausgiebig gefeiert.
Ein Sohn Gaddafis sagte unterdessen, seiner Familie machten die angekündigten Luftangriffe «keine Angst». Die Bombardierung Libyens, die Tötung von Libyern helfe den Menschen nicht, sagte Seif al-Islam Gaddafi der Sendung ABC News Nightline aus der libyschen Hauptstadt Tripolis.
Der Sender CNN meldete am frühen Freitagmorgen, Gaddafi-Sohn Saadi habe sich telefonisch gemeldet und gesagt, die Regierungstruppen würden vorerst nicht versuchen, nach Bengasi vorzustossen. Die Stadt werde lediglich belagert.
Die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi hatten in den vergangenen Tagen erhebliche Geländegewinne erzielt. Wenige Stunden vor der Abstimmung im Sicherheitsrat hatte sich Muammar Gaddafi noch entschlossen gezeigt, die Rebellenhochburg Bengasi und die übrigen Gebiete in der Hand der Aufständischen in Kürze zurückzuerobern.
US-Kongress könnte bremsen
Die Einzelheiten des militärischen Eingreifens der Amerikaner waren zunächst unklar. Der Stabschef der US-Luftwaffe, General Norton Schwartz, erklärte jedoch vor dem Kongress, die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen könnte rund eine Woche dauern. «Wir würden zweifelsohne sowohl Einheiten aus Europa als auch aus den USA benötigen», sagte Schwartz. «Für mich ist es keine Frage, ob wir es tun können, sondern ob wir sollten und - wenn ja - wie.»
Nach der Unterrichtung des US-Kongresses äusserten sich die Abgeordneten nur vage über die nächsten Schritte und den Zeitplan der Streitkräfte. «(Die Rebellen) müssen noch eine Woche aushalten», sagte der republikanische Senator Mark Kirk: «So lange könnte die internationale Gemeinschaft brauchen, um zu reagieren.»
Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, lobte den Vorstoss der Arabischen Liga, die als erste eine Flugverbotszone über Libyen offiziell gefordert hatte. «Wir arbeiten mit ihr zusammen, um den richtigen Ansatz zu finden», sagte Reid.
Ob für die Durchsetzung der Flugverbotszone ein Parlamentsbeschluss notwendig sei, war umstritten. Seiner Auffassung nach könne US-Präsident Barack Obama die Luftwaffe ohne Zustimmung des Kongresses einsetzen, sagte der Republikaner Lindsey Graham. Er hoffe jedoch, dass der Kongress diesen Schritt unterstützen werde.
Der republikanische Senator Dick Lugar hingegen forderte eine Parlamentsdebatte. «Sollte sich die Regierung für die Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen oder eine andere militärische Massnahme entscheiden, sollte sie sich im Kongress der Debatte über eine Kriegserklärung stellen», sagte Lugar. (rub/sda/dapd)
China hat «ernste Bedenken»
China hat «ernste Bedenken» zu der vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Schaffung einer Flugverbotszone in Libyen vorgebracht. In einer am Freitag in Peking veröffentlichten Erklärung des Aussenministeriums wurde betont, dass China gegen die Anwendung militärischer Gewalt in internationalen Beziehungen sei. Peking habe stetig Respekt für die Souveränität und Unabhängigkeit Libyens sowie seiner territorialen Integrität betont. Die Krise sollte per Dialog gelöst werden. China hatte sich bei der Abstimmung am Donnerstag enthalten - wie Deutschland, Russland, Brasilien und Indien. Zehn der 15 Ratsmitglieder stimmten für die Resolution. (AP)
Ölpreis steigt weiter an
Auswirkungen hatte die UNO-Resolution auch auf den Ölpreis, er setzte am Freitag seinen am Vortag begonnenen Höhenflug fort. Gegen 8.00 Uhr kostete das Barrel der Nordseesorte Brent 115,85 Dollar, verglichen mit 114,90 Dollar am Vorabend in New York. Die Sorte WTI kam im elektronischen Handel auf 102,84 Dollar, nach 101,42 Dollar in New York. (AP)