Assad verliert in eigenen Reihen an Rückhalt

Aktualisiert

Proteste in SyrienAssad verliert in eigenen Reihen an Rückhalt

Nachdem bereits zwei Parlamentsabgeordnete zurückgetreten sind, kehrt nun auch ein Geistlicher Assad den Rücken zu. Dieser lässt derweil erneut auf Trauerzüge schiessen.

Nach zwei Abgeordneten hat aus Protest gegen das harte Vorgehen der syrischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten auch ein islamischer Geistlicher der Regierung in Damaskus seinen Rücktritt erklärt.

Der Mufti von Daraa, Resk Abdulrahman Abaseid, sagte, er trete ab, weil Protestteilnehmer von der Polizei erschossen worden seien. Er bezeichnete die Getöteten als Opfer und Märtyrer. Es entspreche nicht der Wahrheit, wenn von oberen Stellen verkündet werde, dass auf Demonstranten nicht geschossen werde, sagte der Prediger dem Fernsehsender Al-Dschasira.

Die Abgeordneten Naser al-Hariri und Chalil al-Rifaei hatten zuvor aus Protest gegen die massive Gewalt ihr Mandat niedergelegt. Solch ein Vorgehen funktioniere nicht, sagte Rifaei zu Al-Dschasira. Beide Abgeordnete kommen ebenfalls aus Daraa, einem der Zentren der Proteste gegen Syriens Staatschef Baschar al-Assad.

Bislang galt es in Syrien als unerhört, dass Abgeordnete ihr Mandat zurückgeben. Das Parlament ist ohnehin nicht frei gewählt. Ähnlich wie in den früheren Ostblock-Staaten wird bei einer Pseudo- Wahl die überwiegende Mehrheit der Sitze über eine vom Regime zusammengestellte Einheitsliste verteilt.

Trauer um die Demonstranten

Syriens Opposition hat am Samstag um mehr als hundert Demonstranten getrauert, die bei den Protesten am Vortag getötet worden waren. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad antwortete mit neuen Schüssen. In der südsyrischen Stadt Israa (Provinz Daraa) wurden sechs, in einem Vorort von Damaskus drei Teilnehmer erschossen.

Nach Angaben der Opposition vom Samstag waren am Vortag in ganz Syrien 112 Demonstranten getötet worden. Aktivisten sprachen von einem «Massaker». Es war der blutigste Tag seit Beginn der Proteste vor fünf Wochen. Landesweit waren am Freitag Hunderttausende auf die Strasse gegangen, um gegen die Assad-Herrschaft zu demonstrieren, so viele wie noch nie.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete derweil, bei «Angriffen» von Bewaffneten auf Polizei- und Armeeposten seien zehn Menschen getötet worden. Unter ihnen seien zwei Polizisten sowie zusammen acht Soldaten und angebliche Angreifer. Auf die grosse Zahl getöteter Demonstranten gingen die Regimemedien nicht ein.

Ausländische Journalisten erhalten kaum Arbeitsvisa für Syrien und werden von den Behörden daran gehindert, die Proteste selbst zu beobachten.

Zu dem hohen Blutzoll kam es, weil Heckenschützen in Zivil von Hausdächern in die Menschenmengen feuerten. Die Regimemedien sprachen nur vage von «unidentifizierten Bewaffneten». Die Aktivisten gingen aber davon aus, dass sie zu Sonderkommandos des allmächtigen Geheimdienstes gehörten.

Internationaler Protest

Das Blutbad am Freitag wurde auch international verurteilt. UNO- Generalsekretär Ban Ki Moon forderte ein sofortiges Ende der «anhaltenden Gewalt gegen friedliche Demonstranten». US-Präsident Barack Obama forderte: «Dieser ungeheuerliche Einsatz von Gewalt zur Unterdrückung der Proteste muss jetzt beendet werden.»

Assad und sein Regime hätten die Forderungen der Syrer nach Freiheit zurückgewiesen und ihre eigenen Interessen über die des Volkes gestellt, erklärte Obama.

Auch die ehemalige Mandatsmacht Frankreich beanstandete die «blinde und brutale Unterdrückung». Aussenminister Alain Juppé rief die syrische Regierung auf, künftig auf jeglichen Waffengebrauch gegen Demonstranten zu verzichten.

«Die erneute Gewalt gegen friedliche Demonstranten in Syrien ist inakzeptabel. Sie wird von der Bundesregierung auf das Schärfste verurteilt», liess auch der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle am Samstag mitteilen. Die Vorgänge am Freitag müssten «genau untersucht und juristisch aufgearbeitet» werden.

Bilder von einer Handy-Kamera aus der Stadt Homs:

(sda/dapd)

Opposition stellt die Machtfrage

Nach der Aufhebung des seit 1963 geltenden Notstandes in Syrien stellt die Opposition die Machtfrage. Erstmals veröffentlichten die Oppositionellen eine gemeinsame Erklärung, in der sie ein Ende des Machtmonopols der Baath-Partei und ein demokratisches System forderten.

Weiter forderten die Oppositionellen die Freilassung politischer Häftlinge. Der bestehende Sicherheitsapparat müsse aufgelöst und durch eine Institution ersetzt werden, die an Recht und Gesetz gebunden sei. Die Erklärung wurde der Nachrichtenagentur Reuters übermittelt.

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