Ultras gegen MubarakDie ägyptische Fussball-Revolution
Fussball-Hooligans spielten beim Aufstand gegen Hosni Mubarak eine zentrale Rolle. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo kämpften sie an vorderster Front für die Regimegegner.
Auf dem Höhepunkt des Aufstands gegen Präsident Hosni Mubarak vor einem Jahr tobten auf dem Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo schwere Kämpfe. Zu allem entschlossene Mubarak-Anhänger versuchten, den Protest der Regimegegner zu zerschlagen. Doch diese hielten stand. Sie bauten Barrikaden und schlugen die Mubarak-Truppen zurück. Eigentlich erstaunlich angesichts einer vermeintlich unorganisierten Bewegung ohne klare Anführer.
Des Rätsels Lösung ist so verblüffend wie einleuchtend: Auf Seiten der Opposition verteidigten hartgesottene, in Strassenkämpfen erfahrene Fussballfans den Platz. «Die Ultras haben eine wichtigere Rolle gespielt als alle politischen Parteien», sagte der prominente ägyptische Blogger Alaa Abdel Fattah dem Fernsehsender Al Dschasira. «Vielleicht sollten die Ultras das Land regieren», meinte er scherzhaft.
Bei den Kämpfen kamen Ultra-Taktiken zum Einsatz, wie der Fussballjournalist Davy Lane festhielt: «Es gab zugewiesene Steinewerfer, Spezialisten für das Umwerfen und Abfackeln von Fahrzeugen und Versorgungscrews, die wie ein Uhrwerk laufend Projektile lieferten.» Auch die medizinische Versorgung, die Zugangskontrolle auf den Platz oder die Abschirmung des Ägyptischen Museums soll von Ultras organisiert worden sein.
Al-Ahly-Fans an vorderster Front
Der Einfluss des Fussballs auf die ägyptische Revolution überrascht nur auf den ersten Blick. «Fussball war neben dem Islam die einzige Arena im Nahen Osten, in der die Menschen ihren Ärger und ihren Frust über die autoritären Regime in legitimem Rahmen loswerden konnten», schreibt James Dorsey, Autor eines Blogs mit dem bezeichnenden Namen «The Turbulent World of Middle East Soccer». Obwohl die Ultra-Szene in Ägypten noch relativ jung sei, habe sie bereits reichlich Erfahrung in Kämpfen mit der Polizei gesammelt.
An vorderster Front mischen dabei die Fans von Al Ahly mit. Der Kairoer Verein – Stammklub des früheren Sion-Goalies Essam el Hadary – ist der wohl populärste Fussballklub Afrikas und jener «mit den politischsten Fans», so ein Kolumnist des US-Magazins «Sports Illustrated». Bereits bei der Gründung im Jahr 1907 habe sich dort der nationale Widerstand gegen die britische Kolonialherrschaft organisiert. Mit dem Lokalrivalen Zamalek, der als Klub der Reichen gilt, verbindet die Fans von Al Ahly eine bittere Feindschaft, die Derbys sind Hochsicherheitsspiele.
Auch Gaddafi hatte Angst
Auf ihrer Facebook-Seite betonten die Al-Ahly-Ultras, sie seien unpolitisch. Sie hielten aber auch fest, ihre Mitglieder seien «frei in ihrer politischen Ausrichtung». Die Herrschenden hatten die Gefahr erkannt: Sie sagten nach Beginn der Protestes in Kairo alle Fussballspiele ab. Aber da war es schon zu spät. Danach verbreitete sich die Furcht, dass das Beispiel Schule machen könnte: «Der Einfluss organisierter Fussballfans bei den regierungsfeindlichen Protesten in Ägypten ist der schlimmste Albtraum jeder arabischen Regierung», so Blogger Dorsey.
Angesichts der enormen Popularität des Fussballs in der arabischen Welt war und ist diese Sorge nicht unbegründet. Im Nachbarland Libyen etwa wurden nach den Ereignissen in Kairo alle Fussballspiele auf absehbare Zeit abgesagt. Dies geschah laut Regierungsquellen, um ein Überschwappen der ägyptischen «Welle» zu verhindern. Alles vergebens, wie wir heute wissen.