Konferenz in TeheranIran spürt den «islamischen Frühling»
Der Iran will aus den arabischen Revolutionen Kapital schlagen und lädt die Aktivisten der ersten Stunde zur islamischen Konferenz ein. Nicht dabei: die Akteure aus Syrien.
Seit über einem Jahr ist die Arabische Welt in Aufruhr. Angefangen in Tunesien, breiteten sich die öffentlichen Proteste und Strassenkämpfe für Demokratie, Menschen- und Mitspracherechte wie ein Lauffeuer über Libyen, Syrien, Ägypten bis nach Jemen aus. Ben Ali, Mubarak, Gaddafi – die jahrzehntelangen Diktatoren und Machthaber wurden vom selbst vergoldeten Sockel gestossen, der gesellschaftliche Umbruch und ein politischer Neuanfang eingeleitet. Nach den ersten freien Wahlen in Tunesien und Ägypten zeigt sich auch ein erster Gewinner des Arabischen Frühlings: Die islamischen Parteien konnten gestärkt und als klare Gewinner aus dem Rennen um die politische Macht gehen. Dies zur Freude des Iran, der nun aus diesen Veränderungen Kapital schlagen will.
Doch der Versuch, der Bewegung einen eigenen Stempel aufzusetzen, ist umstritten. Die iranische Regierung liess diese Woche tausende junge Aktivisten nach Teheran einfliegen. Die Administration von Mahmud Ahmadinedschad hatte flugs eine Konferenz mit dem schillernden Namen «Das Erwachen des Islam» ins Leben gerufen, auf der die verschiedenen Aspekte einer islamischen Revolution thematisiert werden sollte. So passte es auch, dass auf dem Bildschirm im riesigen Auditorium die Helden der iranischen Revolution nahtlos in die Strassenkämpfer der heutigen Schauplätze übergingen.
Syrische Aktivisten nicht eingeladen
Doch die Sache hat einen Haken: Die Iraner haben zu ihrem Podium keine Delegation aus Syrien eingeladen. Jenem Staat, in dem Machthaber Baschar al-Assad, ein wichtiger Verbündeter des Iran, der monatelangen Proteste ungeachtet mit eiserner Hand die Regierungsgeschäfte weiterführt. Die syrischen Demonstranten, alle selbst Muslime, gelten in den Augen des Iran als Marionetten des Westens, die für die Interessen der USA instrumentalisiert würden.
Die Tatsache, dass ausgerechnet aus einem Land, in dem ein autokratischer, säkularer Präsident brutal gegen seine eigenen Landsleute vorgeht, keine Vertreter eingeladen wurden, hat viele andere Teilnehmer der Konferenz irritiert. Mit einem Transparent mit der Aufschrift «Syria?» wollte ein Teilnehmer die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. Applaus und Buhrufe waren die Reaktionen, gefolgt von Sprechchören «Gott, Freiheit und Syrien» auf der einen und Pro-Assad-Slogans auf der anderen Seite.
Verschwörungstheorie oder Revolution?
Ungeachtet des kleinen Aufruhrs liess sich der iranische Präsident Ahmadinedschad nicht aus dem Konzept bringen und gab sich bei seiner Eröffnungsrede gewohnt unverblümt: «Wir müssen wachsam bleiben, der Westen versucht, die Gesellschaft für religiöse Konflikte aufzustacheln. Und das alles mit dem Ziel, Israel am Leben zu erhalten. Heute Syrien, morgen eure Länder.» Die Reaktionen aus dem Publikum waren kontrovers, von eingeübten Begeisterungsrufen bis zur demonstrativen Ablehnung der Worte Ahmadinedschads.
Der zweite Teil der Konferenz fand ohne die Präsenz der Journalisten statt. Ihnen blieb die Tür verschlossen. «Wir sind angehalten worden, nichts über Syrien zu sagen», erzählt ein Reporter einer staatlichen Nachrichtenagentur der New York Times. An einer später einberufenen Medienkonferenz sickerten die Inhalte der Tagung dennoch an die Öffentlichkeit. Ein jordanischer Reporter wollte von Ali Akbar Velayati, dem ehemaligen Aussenminister des Iran und heutigen aussenpolitischen Berater des Revolutionsführers Ajatollah Ali Chamenei wissen, wie denn eine durch den Westen provozierten Verschwörungstheorie von einer «wahren» Revolution zu unterscheiden sei. Die Antwort kam so postwendend wie simpel: «Die eine begünstigt die Vereinigten Staaten und die Zionisten, die andere ist gegen sie», zitiert ihn die renommierte amerikanische Zeitung.
Islamische Einheit
So kann man die Bemühungen des Iran, die arabischen Kulturen als Schmelztiegel zu einer Einheit im Kampf gegen Israel zu vereinen, auch als klare Botschaft der Machtpolitik Ahmadinedschads lesen. Doch die Meinungen klaffen auch in der muslimischen Gesellschaft auseinander: «An der Konferenz geht es um die Geschlossenheit und Einheit im Islam, das ist was Gutes», erzählt ein 31-Jähriger aus Libyen, «aber wir Libyer sind den USA für ihre Hilfe beim Sturz von Gaddafi auch dankbar. Wir hoffen jetzt auf eine demokratische, säkulare Regierung in unserem Land.» Angesprochen auf die Lage in Syrien meint er kurz und bündig: «Bashar al-Assad ist ein Tyrann, der gestürzt werden muss.»
Teheran unterstrich seine schwierige Position inmitten der dramatischen Veränderungen in der Arabischen Welt. Nach der Machtübernahme der islamischen Parteien in Ägypten und Tunesien, scheint ein ähnliches Szenario auch in Libyen, Syrien oder Jemen denkbar. An der Konferenz jedenfalls sprechen die Zeichen eine deutliche Sprache. Auf dem grossen Videoscreen im Konferenzsaal fallen die porträtierten ehemaligen Machthaber wie Dominosteine zu Boden: Zuerst Ben Ali, dann Mubarak gefolgt von Gaddafi und Saleh. Doch das grosse Diktatorenstürzen geht noch weiter. Auch die gerahmten Bilder der Könige von Jordanien, Saudi Arabien und Bahrain purzeln im freien Fall über den Bildschirm.