US-Wahlen«Obama ist keine komische Figur»
Die renommierte Zeitschrift «The New Yorker» wollte auf ihrem Titelbild die rechten Klischees über Barack und Michelle Obama karikieren und erzeugte einen Sturm der Entrüstung. Die Kontroverse zeigt: Obama ist für Satiriker ein schwieriger Fall.
Barack Obama ist ein Muslim mit Sympathien für Osama bin Laden, der die US-Flagge verbrennt, seine Frau Michelle ist eine militante Black-Power-Emanze. Es sind Zerrbilder, die mit der Wahrheit nichts gemein haben und die dennoch hartnäckig kursieren, nicht nur in Rechtsaussen-Kreisen. Gemäss einer aktuellen Umfrage von «Newsweek» glauben 12 Prozent der Befragten, dass Barack Obama seinen Amtseid als US-Senator nicht auf die Bibel, sondern auf den Koran abgelegt hat.
Die Zeitschrift «The New Yorker» wollte diese Klischees auf dem Titelbild ihrer neusten Ausgabe satirisch verarbeiten – und trampelte zielsicher ins Minenfeld der politischen Satire. Denn die Reaktionen waren überwiegend negativ. Obamas Wahlkampfsprecher Bill Burton nannte das Cover «geschmacklos und beleidigend». Der Kandidat selber verweigerte einen Kommentar, zeigte sich jedoch sichtlich verärgert. Sein republikanischer Gegner John McCain bezeichnete die Karikatur als «vollkommen unangebracht».
Seither tobt in den USA die Debatte um die ewige Frage, was Satire darf und was nicht. David Remnick, Chefredaktor des «New Yorker», rechtfertigt sich und seinen Titel auf allen Kanälen. «Wir wollten alle Lügen, Irrtümer und Verfälschungen angreifen, die über die Obamas kursieren», sagte er im TV-Sender CNN. Die Kommentatoren in den Medien zeigten sich gespalten. Während der konservative Talkmaster Bill Bennett meinte, der «New Yorker» habe es «vermasselt», verteidigte James Carville, ehemaliger Wahlkampfleiter von Bill Clinton, das Titelbild als Satire «in ihrer ultimativen Form».
Late-Night-Shows tun sich schwer
Doch Barack Obama ist für Satiriker ein heikler Fall. Diese Erfahrung müssen auch die beliebten Late-Night-Shows machen. Jeden Abend machen sich Jay Leno, David Letterman oder Conan O'Brien mit scharfen Witzen über Politiker lustig. John McCain ist dabei eine beliebte Zielscheibe. Sein Alter bietet sich für Spott genauso an wie seine verbalen Fehltritte. So etwa schwadronierte er gerade erst über einen Konflikt zwischen Russland und der Tschechoslowakei, ein Land, das in dieser Form nicht mehr existiert.
Barack Obama dagegen ist ein harter Brocken. Er bietet keine Angriffsflächen wie Bill Clinton mit seinen Frauengeschichten, Al Gore mit seinem steifen Auftreten oder George W. Bush mit seinen Wortkapriolen und gibt sich bei seinen Auftritten kaum eine Blösse. «Er ist keine komische Figur», erklärte Mike Barry, ein altgedienter Gagschreiber, der seit Lyndon B. Johnson über jeden Präsidenten Witze verfasst hat, der «New York Times». Die Konsequenz: «Wir machen Witze über Leute in seinem Umfeld, nicht wirklich über ihn», sagte Mike Sweeney, Leiter von Conan O'Briens Autorenteam.
Wenig Sympathie für Obama-Witze
Kommt hinzu, dass man mit Obama-Witzen schnell im Dunstkreis des Rassismus landen kann, wie der «New Yorker» nun erlebt. Das wiegt umso schwerer, als die Late-Night-Talker alle weiss sind und die Shows von einem überwiegend weissen Publikum gesehen werden, das politisch zudem mit Obama sympathisiert. Jon Stewart, Gastgeber der «Daily Show» im Sender Comedy Central, musste erleben, dass Sprüche über Obama von seinem Publikum nicht goutiert wurden, wie er der «New York Times» erklärte.
Die Zeitung vermutet, dass eine andere Situation vorliegen würde, wenn ein Late-Night-Präsentator schwarz wäre, denn schwarze Komiker machen sehr wohl Witze über Obama. So aber warten die einen darauf, dass der demokratische Kandidat sich eine Blösse gibt: «Wir sitzen wie die Aasgeier auf den Bäumen», sagte Jon Stewart. Andere suchen weiter nach Angriffspunkten: «Seine Ohren sollten im Fokus der Witze sein», meinte Jimmy Kimmel vom Sender ABC. Und wieder andere schauen über den Kandidaten hinaus: «Wir hoffen, er wählt einen Idioten als Vizepräsidenten», so Mike Sweeney von der O'Brien-Show.