US-WahlkampfMcCain kämpft um ein Erfolgserlebnis
Die zweite Fernsehdebatte zwischen John McCain und Barack Obama findet in einem aufgeheizten Umfeld statt. McCain hat seine Attacken auf den Gegner verschärft. Dieser schlägt zurück – und setzt auf seine Organisation.
Genau vier Wochen vor dem Wahltermin ist das Rennen um die US-Präsidentschaft in seine heisseste und schmutzigste Phase getreten. John McCain und sein Wahlkampfteam wollen die verbleibende Zeit zu einem Referendum über Barack Obamas Charakter und seine Führungsqualitäten gestalten. Für die «New York Times» eine höfliche Umschreibung von McCains Absicht, «seinen Gegner an allen Fronten zu attackieren und bei möglichst vielen Wählern Zweifel an ihm zu wecken oder zu verstärken». Die Marschrichtung gab «Pitbull» Sarah Palin mit ihren Angriffen auf den «Terroristenfreund» Obama vor.
Mit ihrer Schlammschlacht ziehen die Republikaner ihre wohl letzte Trumpfkarte in einem zunehmend aussichtslosen Rennen. Auch die jüngsten Umfragen bestätigen den Trend zu Gunsten der Demokraten. Gemäss «Wall Street Journal» und NBC News hat Obama nun auch bei den parteilosen Wählern die Nase vorn. Noch wichtiger als die nationalen Umfragen sind jene in den einzelnen Bundesstaaten, denn diese entscheiden mit ihren Wahlmännern letztlich das Rennen. Eine Erhebung der «Washington Post» und des TV-Senders ABC im besonders umkämpften Ohio, in dem bislang John McCain vorne lag, ergab nun einen Vorteil von 51 zu 46 Prozent für Barack Obama.
Wirtschaft überlagert alles
Umso dringender braucht der republikanische Bewerber ein Erfolgserlebnis im zweiten TV-Duell, das in der Nacht auf Mittwoch (Schweizer Zeit) in Nashville stattfindet. Leicht wird die Aufgabe nicht. Die Debatte ist in der relativ zwanglosen Form eines so genannten «Town Hall Meeting» angelegt. Dabei werden die Kandidaten nicht nur Fragen des Moderators beantworten, sondern auch solche aus dem Publikum – ausnahmslos unentschlossene Wähler – und von Zuschauern via Internet. In diesem Umfeld seien Angriffe, wie sie McCain vorschweben, schwierig, so die «New York Times».
Politexperten raten McCain denn auch, in erster Linie seine Pläne für die Wirtschaft zu präsentieren. Damit verweisen sie auf die wohl grösste Schwäche seiner Negativ-Strategie: Sie kommt zu spät und zum falschen Zeitpunkt. Denn die miese Wirtschaftslage stellt derzeit alles in den Schatten. «Wenn dein Haus brennt, interessiert dich nur, wer das Feuer am besten löschen kann», brachte es Stuart Stevens, der an George W. Bushs Wahlkampf 2004 beteiligt war, in der «New York Times» auf den Punkt. Die Umfragen belegen, dass die Amerikaner Barack Obama für den besseren Feuerwehrmann halten.
Gegenangriff und Mobilisierung
Darauf verlassen wollen sich die Demokraten aber nicht. Sie sind gewillt, die Fehler von Michael Dukakis oder John Kerry nicht zu wiederholen und Schmierenkampagnen der Gegenseite widerstandslos hinzunehmen. Am Montag lancierten sie den Gegenangriff, der John McCains Rolle in einem Bankenskandal der 80er Jahre beleuchtet. Die Ersparnisse von hunderttausenden Amerikanern mussten damals vom Staat gerettet werden. Schlüsselfigur war der Banker Charles Keating, mit dem McCain so eng verbandelt war, dass er in einem Ethikverfahren des Senats nur knapp ungeschoren davon kam.
Angesichts der aktuellen Finanzkrise kommt der Skandal für Obamas Wahlkampfteam gerade recht. Daneben hat es am Wochenende seine vielleicht grösste Stärke ausgespielt, die Organisation. Am Montag war in mehreren Staaten Deadline für die Wählerregistrierung. Weil es in den USA keine Einwohnerkontrolle gibt, muss sich eintragen lassen, wer an Wahlen teilnehmen will. Deshalb gaben Bruce Springsteen und Jay-Z Gratiskonzerte, während Obamas Wahlhelfer – darunter Stars wie Eva Longoria – im Publikum noch nicht registrierte Wählerinnen und Wähler anwarben.
Der Kandidat selber war Gast in zwei Talkshows, die landesweit auf Radiosendern ausgestrahlt werden, die mehrheitlich von Schwarzen gehört werden. Ausserdem wurden die auf Obamas Website eingetragenen Anhänger per E-Mail und SMS an die Deadline erinnert. Während John McCains Wahlkampfteam gemäss dem Wahlblog der «Washington Post» nicht einmal über ein Programm zum Versenden von SMS verfügt.
Ist das Rennen schon gelaufen?
Ein Mitglied von Obamas innerstem Beraterkreis verwies gemäss «Daily Telegraph» kürzlich darauf, dass Umfrageinstitute und Medien das Ausmass der demokratischen Wählerregistrierung vor allem in den «Swing States» unterschätzen würden. «Wir sind in Virginia und North Carolina viel stärker, als diese Leute annehmen. Wenn alle zur Wahl gehen, dürfte es nicht einmal knapp werden.»
Zumindest einige Republikaner haben die Gefahr erkannt. Die Website «Politico» zitierte mehrere Parteistrategen, die einen Sieg McCains noch für möglich erachten. Ein grundsätzliches Problem sei aber die Basisarbeit, sagte Greg Mueller, ein Experte für konservative Politik: «Ich fürchte, dass Obama in diesem Punkt voraus ist.»
Obama vs. McCain: Zweites Duell
Heute kreuzen John McCain und Barack Obama in Nashville (US-Bundesstaat Tennessee) zum zweiten Mal in der TV-Debatte die Klingen. Lesen Sie morgen früh, wer die Nase vorn hat - wie immer zuerst auf 20 Minuten Online!