Gottesfürchtig und schwulenfeindlich

Aktualisiert

Rick SantorumGottesfürchtig und schwulenfeindlich

Amerikas Konservative haben einen neuen «Nicht-Romney». Der Fundi-Katholik Rick Santorum ist aus dem Nichts an die Spitze gestürmt. Ob er sich halten kann, ist fraglich.

Peter Blunschi
von
Peter Blunschi
Rick Santorum auf Fasanenjagd in Iowa - auch damit demonstierte er Volksnähe.

Rick Santorum auf Fasanenjagd in Iowa - auch damit demonstierte er Volksnähe.

Kein Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur hat mehr von Iowa gesehen als Rick Santorum. Abseits der nationalen Medien besuchte der konservative Politiker während Monaten Dörfer und Städte in allen 99 Verwaltungsbezirken des kleinen Bundesstaates im Mittleren Westen – in einem Pickup-Truck, denn mangels Geld konnte er sich keinen Bus leisten. «Ich habe in Iowa kein Speed-Dating gemacht», brüstete sich der 53-jährige frühere Senator von Pennsylvania bei einem Auftritt in der Kleinstadt Newton.

Diese basisnahe Strategie hat sich am Dienstag ausgezahlt: Rick Santorum landete bei der Vorwahl in Iowa nur acht Stimmen hinter dem favorisierten Ex-Gouverneur Mitt Romney auf Platz zwei. Noch vor kurzem deutete nichts auf einen solchen Coup hin. Trotz seiner Anstrengungen verharrte Santorum in den Umfragen im einstelligen Prozentbereich. In Interviews kokettierte er mit einem Ausstieg aus dem Präsidentschafts-Rennen. Erst in den Tagen vor der Wahl tauchte er plötzlich in Reichweite Romneys auf.

Italienisch und katholisch

Rick Santorums Senkrechtstart erstaunt nur auf den ersten Blick. Er passt vielmehr zum bizarren Wahlkampf der Republikaner. Seit Monaten suchen die Konservativen fast schon verzweifelt eine Alternative zum ungeliebten Mitt Romney. Nach Trump, Bachmann, Perry, Cain und Gingrich ist die Reihe nun an Santorum. Der neuste «Nicht-Romney» ist zweifellos stramm konservativ – doch auch er schleppt viel Ballast mit sich herum.

Richard John Santorum ist der Sohn eines Einwanderers aus Italien und einer Amerikanerin italienisch-irischer Abstammung. Seine Eltern waren streng katholisch, er wuchs in einer Arbeiterstadt in Pennsylvania auf und arbeitete nach dem Studium als Anwalt. 1990 wurde er mit 32 Jahren ins Repräsentantenhaus und vier Jahre später in den Senat gewählt, wo er zu «einem der lautstärksten Kulturkämpfer» in Washington wurde, so die «New York Times».

Fehlgeburt als Schlüsselerlebnis

Familie, Glaube und Freiheit – das sind die Schlagworte, unter die Rick Santorum seine Bewerbung gestellt hat. Der romtreue Katholik ist ein strikter Gegner von Abtreibung und Homo-Ehe. Sogar Verhütungsmittel lehnt er persönlich ab, will sie aber nicht verbieten lassen. Ein Schlüsselerlebnis für seine Überzeugungen war eine Fehlgeburt, die seine Frau Karen 1996 erlitten hatte. Danach sei der sechsfache Vater «noch religiöser» geworden, sagte ein langjähriger Mitarbeiter zur «New York Times».

Wie die anderen republikanischen Präsidentschafts-Bewerber legt Santorum seinen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt auf die Senkung von Steuern und radikale Kürzungen der Staatsausgaben. «Freie Märkte, freie Menschen, freie Unternehmen, das Streben nach Glück» seien die Prinzipien, die die USA zu einem leuchtenden Vorbild in der Welt gemacht hätten, sagte er vor wenigen Tagen bei einem Auftritt in Iowa.

Schwulenfeindliche Äusserungen

Sein religiöser Fundamentalismus macht Rick Santorum aber auch zu einer polarisierenden Figur, zumal er kaum einer Kontroverse aus dem Weg geht. Für Furore sorgte 2003 ein AP-Interview, in dem der Senator seine Abneigung gegen Homosexuelle unverholen zum Ausdruck brachte. Der bekannte Schwulen-Aktivist Dan Savage verpasste darauf dem Namen Santorum eine neue, extrem vulgäre Definition. Die eigens dafür eingerichtete Website taucht in den Online-Suchmaschinen bei der Eingabe des Namens Santorum an vorderster Stelle auf.

Die von Santorum ausgelösten Polemiken trugen auch dazu bei, dass er 2006 aus dem Senat abgewählt wurde. Danach galt seine politische Karriere als beendet. Viele Beobachter bezweifeln deshalb, dass er seine derzeitige Rolle als Liebling der Konservativen länger spielen kann als seine Vorgänger. Zwar dürften die Spenden nach dem Coup in Iowa reichlicher fliessen, doch die grossen Geldgeber der Partei werden ihn kaum unterstützen. Für sie ist der Rechtsaussen zu extrem, um gegen Barack Obama gewinnen zu können.

Hoffen auf South Carolina

Ungemach droht ihm auch von Mitt Romney, oder vielmehr von mit ihm verbündeten Polit-Komitees, den so genannten Super PACs. Diese dürften Santorum mit Negativwerbung eindecken – eine Strategie, die schon gegen Newt Gingrich funktioniert hat. «Sie brachten Gingrich in Iowa zur Strecke, nun werden sie das Gleiche mit Santorum machen», orakelte der republikanische Politikberater Steve Mitchell gegenüber dem «Guardian».

Doch in diesem Wahlzyklus scheint vieles möglich. Bei der Vorwahl am nächsten Dienstag in New Hampshire liegt für Rick Santorum zwar wenig drin – der religiöse Konservatismus hat im Nordosten der USA keine breite Basis. Doch schon am 21. Januar in South Carolina könnte der stramme Katholik wieder zuschlagen. Medienmogul Rupert Murdoch jedenfalls hat auf seinem neuen Twitter-Account seine Sympathie für Santorum zum Ausdruck gebracht. Dieser sei «der einzige Kandidat mit einer wirklich grossen Vision für das Land».

Rick Santorum gegen «Privilegien» für Schwule:

(mit Material von SDA)

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