Das erste Amok-Opfer war nicht die Freundin des Täters
Mehreren Berichten zufolge soll der Amokläufer keine Liebesbeziehung zu seinem ersten Opfer gehabt haben. Ihre Mitbewohnerin behauptet sogar, Emily Hilscher habe Cho nicht einmal gekannt.
Emily Hilschers Freunde haben auf ihre «Facebook»-Seite ein Kondolenzbuch eingerichtet. Darin steht ausdrücklich: «Emily Hilscher hatte keine Beziehung zum Amokläufer. Sie war in Karl Thornhill verliebt.»
Doch Cho Seung-Hui kam um 7.15 Uhr in Emilys Wohnheim und rief nach ihr. Er ist in ihr Schlafzimmer gegangen und sie diskutierten. Ein anderer Student, Ryan Clark, versuchte im Streit zu schlichten. Emily soll noch geschrien haben «Er hat eine Pistole». Clark wurde Chos zweites Opfer.
Erste Versionen in den Zeitungen deuteten darauf hin, dass Cho und Emily ein Paar gewesen waren. Doch wie sich nun herausstellt, hatte die 18-Jährige keine Beziehung zu Cho. Ihre Mitbewohnerin, Heather Haugh, sagte gegenüber der «Los Angeles Times», sie wisse nicht, ob Emily ihren Killer jemals gekannt habe.
Neue Theorien behaupten nun, dass Cho von Emily fasziniert gewesen sei und die junge Frau gar verfolgt habe. War Cho ein Stalker?
Im vergangen Herbst schrieb der 23-jährige Einzelgänger in einem Uni-Kurs Theaterstücke, deren gewaltsamer Inhalt Professoren und Studenten erschreckte. Seine Figuren griffen andere mit Kettensägen an und warfen Hämmer, wie ein Mitschüler berichtete. Chos Stücke wirkten mit ihrer «perversen, makabren Gewalt» bisweilen «wie aus einem Alptraum», schrieb der Exstudent Ian MacFarlane in einem Blog. Cho habe den Einsatz von Waffen beschrieben, die er sich selbst nicht einmal hätte vorstellen können.
Die Leiterin der Fakultät für Englisch an der Technischen Hochschule in Blacksburg, Carolyn Rude, erklärte, die Direktorin der Fachschaft Kreatives Schreiben habe ihn als «mit Problemen belastet» beschrieben. Cho sei an den psychologischen Dienst verwiesen worden. «Er hat Anlass zur Sorge gegeben», sagte Rude. «Beim kreativen Schreiben enthüllen Menschen manchmal Dinge, von denen man nicht weiss, ob sie sich das ausdenken oder ob das vielleicht wahr sein könnte.»
Was genau die Tat am Montag auslöste, blieb zunächst weiter unklar. Der aus Südkorea stammende Englischstudent hinterliess aber ein achtseitiges Schreiben, in dem er nach Angaben aus Ermittlerkreisen gegen reiche Kinder und Religion schwadronierte. «Ihr habt mich dazu gebracht, dies zu tun», schrieb Cho an einer Stelle. Das Ende sei nahe und es müsse noch eine Tat vollbracht werden.
«The Chicago Tribune» berichtete in ihrer Online-Ausgabe, der Amokläufer habe in jüngster Zeit ein beunruhigendes Verhalten an den Tag gelegt. Beispielsweise habe er in einem Zimmer eines Wohnheims Feuer gelegt. Die Ermittler glaubten, dass Cho zu einem gewissen Zeitpunkt Medikamente gegen Depressionen genommen habe, berichtete die Zeitung.
Kommilitonen berichteten, am ersten Tag eines Literaturseminars hätten sich alle Teilnehmer vorgestellt, nur Cho habe nichts gesagt. Auf der Anwesenheitsliste habe er nur ein Fragezeichen eingtragen. «Ist Ihr Name 'Fragezeichen'?», habe der Professor gefragt, erinnerte sich die Studentin Julie Poole. Cho habe darauf kaum reagiert. «Wir kannten ihn eigentlich nur als den Fragezeichen-Typen.»